Jerry Cotton - 0569 - Perlen Mord und heisse Traenen
war nicht auf den Kopf gefallen und stellte in Gegenwart seiner Kollegen keine weiteren Fragen.
Der Polizeiarzt untersuchte den dicken Pin Tu, leerte dessen Taschen und förderte unter anderem Phils Brieftasche, seinen FBI-Ausweis und seinen Dienstrevolver zutage. Wie ein Habicht stürzte sich Phil auf sein Eigentum.
»Aber das geht doch nicht«, protestierte der Doc.
Lieutenant Gibson meisterte die Situation. Er begriff sofort, daß Phil vor den beiden anderen Polizeibeamten seine Identität als Special Agent des FBI verbergen wollte.
Doc Brown schüttelte den Kopf. Er verstand seinen Ghef nicht mehr. Leise vor sich hin brummend, machte er sich an die Untersuchung des Toten. Gespannt warteten wir auf das Ergebnis. Endlich — es konnten fünfzehn Minuten vergangen sein .— richtete sich der Polizeiarzt auf.
»Soweit ich das jetzt feststellen kann, ist der Tod in den letzten Stunden eingetreten. Den genauen Zeitpunkt kann ich erst bestimmen, nachdem eine Obduktion stattgefunden hat. Der Tod ist durch Strangulation verursacht worden. Die Lage des Toten sowie die Art der Schlingenlegung deuten auf Selbstmord, wenn auch eine mittel- oder unmittelbare Einwirkung Dritter nicht ausgeschlossen werden kann.«
»Jetzt wissen wir’s ganz genau«, raunte mir Phil spöttisch zu. »Die verklausulierte Amtssprache läßt doch alle Möglichkeiten offen.«
»Was meinen Sie zu dem Fall?« wandte sich Lieutenant Gibson an mich. »Mord oder Selbstmord?«
»Madam Tu wünscht es als Selbstmord hinzustellen. Wenn ich eine Bitte äußern darf, tun wir ihr vorläufig den Gefallen, es zu glauben.«
Der Lieutenant blickte mich forschend an, dann lächelte er. »Wenn ich Ihnen damit einen Gefallen erweise«, sagte er so, daß es seine Kollegen nicht hören konnten, »werde ich mich für ein paar Tage mit dem Selbstmord abfinden. Sie müssen allerdings die Verantwortung für Madam Tu übernehmen. Können Sie das?«
Mr. High hatte mir für den Fall Templer völlige Handlungsfreiheit gegeben. Und ich war im Augenblick sehr daran interessiert, möglichst wenig Staub aufzuwirbeln und vor allem das Aktionsfeld von Madam Tu nicht einzuschränken. Ihre Verbindung zu Hank Simpson ließ den Schluß zu, daß sie tiefer in den mysteriösen Fall Templer verstrickt war, als es den Anschein hatte.
Ich nickte dem Lieutenant zu. »Well, ich übernehme die Verantwortung. Vielleicht ist es wirklich Selbstmord«, setzte ich spöttisch hinzu. »Fragen wir doch Madam Tu. Sie ist sicher froh, wenn sie ihre Geschichte los wird!«
Die kapriziöse Chinesin gab sich ganz als trauernde Schwester. Jedenfalls behauptete sie, daß der Verstorbene ihr Bruder gewesen sei und nicht, wie Phil meinte, ihr Ehemann.
Im Augenblick waren die verwandtschaftlichen Verhältnisse nicht zu klären, denn Li Kan Tu wies uns lediglich chinesische Dokumente vor, die niemand von uns lesen konnte, und die außerdem gefälscht sein konnten.
»Warum, glauben Sie, Madam Tu, hat sich Ihr Bruder das Leben genommen?« fragte Lieutenant Gibson.
Die Chinesin sah erst mich, dann Phil an. »Ich könnte mir vorstellen«, antwortete sie leise, »daß sein Tod mit den beiden Herren zusammenhängt. Mein Bruder verfiel immer wieder in die Sitten unseres Heimatlandes. Wir hatten schon verschiedentlich deswegen Schwierigkeiten. Pin vergaß, daß er in Amerika lebte, ja, und dann ging er wohl manchmal zu weit.«
»Was meinen Sie dazu?« wandte sich Gibson an Phil.
»Madams Theorie hat etwas für sich«, sagte er. »Der Tote hatte eine seltsame Art, mit Menschen umzugehen.«
Lieutenant Gibson merkte, daß Phil nicht mehr erzählen wollte, und wandte sich wieder an die Chinesin: »Sie haben also den Toten gefunden, sind dann in den Keller gelaufen und entdeckten dort das seltsame Räucherfest, das Ihre Diener veranstaltet hatten. Woher wußten Sie, daß die beiden Herren im Keller waren?«
Li Kan Tu war nicht aus der Fassung zu bringen. »Ching, der Diener meines Bruders, sagte es mir. Alles andere wissen Sie bereits. Kann ich jetzt gehen?« Der Lieutenant gestattete es. Er wollte noch ein paar Angehörige des Hauses vernehmen.
Phil und ich verabschiedeten uns. Ein paar Stunden Schlaf würden uns guttun. Über die weitere Zeugenvernehmung wollte uns Lieutenant Gibson am kommenden Vormittag unterrichten.
***
Li Kan Tu schlug gegen den kleinen Tischgong. Wenige Augenblicke später öffnete sich geräuschlos die Tür, und Ching, der Diener des toten Pin Tu, verneigte sich tief. Seine
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