Jerry Cotton - 0569 - Perlen Mord und heisse Traenen
wie eine Wolke über den kleinen Lacktisch legte und Li Kan glaubte, den Besueher eingefangen zu haben, riß er sie in die Wirklichkeit zurück.
»Ich bin gekommen, um Bezahlung zu fordern. Bezahlung für die Perlen, die der rothaarige Weiße gestern gebracht hat. Hast du das Geld bereit, so wie es Pin Tu, dein Mann, immer für mich bereit hatte?«
Li Kan zog an ihrer Zigarette, um Zeit zu gewinnen. Sie wußte genau, daß Simpson nicht im Auftrag Tais bei ihr gewesen war. Er gehörte zwar zu dessen Leuten, wollte sich aber allem Anschein nach selbständig machen.
Woher wußte Tai, daß sie jetzt die Perlen besaß? Wußte er es überhaupt, oder war es nur eine Vermutung von ihm? Es war ausgeschlossen, daß der Rote auf das Schiff zurückgekehrt war. Ihre Leute hätten ihr das gemeldet. Und wenn Ching seinen Auftrag rechtzeitig ausgeführt hatte, würde niemand wissen, daß sie die Perlen besaß. Aber war es klug, so zu handeln? Mußte sie nicht Tai in Sicherheit wiegen, um ihn besser ausschalten zu können?
»Was für Perlen?« fragte sie erstaunt.
»Ich meine die, die in der Statue liegen«, lächelte der Chinese.
»In der Statue?« wiederholte sie völlig verständnislos.
»Ich kann dir den Mechanismus zeigen«, höhnte Tai. »Pin war mein Freund, er hatte keine Geheimnisse vor mir.«
»Ich kenne das Geheimnis der Statue nicht«, sagte Li Kan leise. Sie setzte sich kerzengerade auf und sah zu, wie der Mann langsam auf die vergoldete Göttin der Fruchtbarkeit zuging. .Er lächelte überlegen,; wie nur ein Chinese lächeln kann, der sich seines Sieges und seiner Macht bewußt war.
Dann drückte er auf den verborgenen Mechanismus, und die Statue drehte sich.
Das Versteck lag vor seinen Augen. Er griff hinein, um den Lederbeutel hervorzuholen. Aber seine Hand kam leer zurück. Seine Augen glühten, als er sich zu der Frau umwandte. »Wo hast du die Perlen?« fragte er schneidend, und alle Freundlichkeit war aus seiner Stimme verschwunden.
Li Kan Tu erwiderte seinen Blick. Er war ebenso kalt — und triumphierend.
***
Ich hatte am Nachmittag eine unfreundliche Anfrage von der Admiralität bekommen, ob meine Ermittlungen überhaupt schon Erfolg gebracht hätten. Viel hatte ich nicht antworten können.
Wir hatten zwar eine heiße Spur zum Golden Gate, aber sonst tappten wir noch im dunkeln. Noch immer war der Mörder von Obermaat Denning nicht gefunden, der Grund des geheimnisvollen Verschwindens Lieutenant Templer nicht aufgeklärt, und Bootsmann Simpson erfreute sich weiterhin seiner Freiheit.
Mr. High hatte mir drei Kollegen zur Verfügung gestellt, die das Golden Gate seit dem Selbstmord Pin Tus nicht aus den Augen ließen. Auch Phil hielt sich viel in Chinatown auf, während ich krampfhaft meine Stellung als Lieutenant Harrison auf der »Arizona« zu halten versuchte. Ich hoffte auf Hinweise von der Besatzung, aber die Lords waren zugeknöpft wie alte Jungfern.
Fregattenkapitän Nelson hatte mich vom Dienst beurlaubt, so daß ich mich ungehinderter bewegen konnte.
Der Abend war schwül. Deshalb ging ich zum Oberdeck hinauf und setzte mich zwischen Ankerspill und Winde.
Ich konnte die ganze Backbordseite überblicken, ohne selbst gesehen zu werden.
Kurz nach dem Wach Wechsel um 20 Uhr tauchte ein Mann aus der vorderen Luke auf und verbarg sich im Schatten der Davits. Es war zu dunkel, um ihn zu erkennen.
Er blieb ungefähr zehn Minuten in seinem Versteck, dann näherte sich der Wachposten. Die beiden flüsterten miteinander.
Während der Wachposten seine Runde fortsetzte, schwang sich der andere über die Reling und kletterte am Haltetau zum Pier hinüber.
Ich folgte ihm auf dem gleichen Weg.
Der Mann rannte die Mole entlang, stieg über den Trennzaun zum Pier 25 und ging nun gemächlich zur Uferstraße.
Im Schein einer Straßenlaterne sah ich, daß der Mann Zivil trug. An der Ecke Franklin Street und West Side Express steuerte er einen Taxistand an. Da er durch die rote Ampel an der Hudson Street aufgehalten wurde, war es für mich leicht, ihm in einem zweiten Taxi zu folgen. Die Fahrt ging in Richtung Chinatown.
An der Bowery verließ er den Wagen, drängte sich zwischen die zahlreichen Passanten und war meinen Blicken plötzlich entschwunden.
Ich schlüpfte in den Durchgang zwischen zwei Häusern und kam in einen viereckigen finsteren Hof, der ringsum von Gebäuden umschlossen war.
Wenn mich mein Orientierungssinn nicht täuschte, mußte das Haus in westlicher Richtung das Golden Gate
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