Jerry Cotton - 0575 - Die Diamanten-Killer
auf. Erschrocken fuhren die drei zurück.
»Ob einer etwas gemerkt hat?«, fragte Nicky hastig.
»Nicht die Nerven verlieren«, meinte Blender. »Der zweite Fahrstuhl von links ist in Betrieb. Es wird eben jemand das Haus verlassen haben.«
»Jetzt? Um halb elf?«
»Was ist das schon? Wir sind in New York, Mann, nicht auf dem Dorf.«
Sie blieben neben der Tür stehen und begannen auf Blenders Anregung hin eine heftige Diskussion über die letzten Basketball-Ergebnisse. Durch die Halle kam ein älterer Mann, der die Schirmmütze eines Bediensteten von einer der New Yorker U-Bahn-Linien trug. Er stutzte zwar, als er die drei Männer vor der Tür stehen sah, aber dann drückte er sich an ihnen vorbei, hastete die Straße hinab und auf den Eingang der nächsten Subway zu. Inzwischen hatte Nicky schon geistesgegenwärtig seinen Fuß in die offene Tür geschoben. Erst als der ältere Mann in der Feme außer Sicht geraten war, schoben sie sich in die wieder dunkle Halle. Blender drückte neben der Tür den Knopf für die Drei-Minuten-Beleuchtung.
»Warum machst du Licht?«, rief Chuck Berry erschrocken. Seine Narbe stand wie ein greller roter Strich in seinem Gesicht.
»Wenn uns einer im Dunkeln sieht, fällt es doch erst recht auf, du Idiot«, knurrte der Langmähnige. »Jetzt hör endlich auf zu maulen.«
Sie fuhren mit einem Lift hinauf in die sechste Etage. Als sie in den Flur traten, sagte Sadie Blender: »Appartement 6-36.«
Sie schlichen lautlos an den nummerierten Türen vorbei. Bis Nicky stehen blieb und mit dem Kopf auf eine Tür deutete. Blender trat hinzu und legte den Daumen auf den Klingelknopf. Drinnen wurde ein Summen laut. Blender klingelte viermal, bis ein dumpfes Poltern verriet, dass endlich jemand kam.
Undeutlich hörten sie hinter der Tür ein Gemurmel.
»Die denken, wir stehen vor der Haustür«, sagte Nicky leise. »Der spricht jetzt durch die Türsprechanlage!«
Blender klopfte leise gegen die Tür.
Ein Mann von etwa fünfzig Jahren zog sie auf. Er trug einen knallroten Schlafanzug und darüber einen kaffeebraunen offen stehenden Morgenmantel. Er hatte wohl schon im Bett gelegen, aber offenbar noch nicht geschlafen. Aus wachen, intelligenten Augen musterte er die unerwarteten Besucher.
»Ja, bitte?«, fragte er.
Blender gab ihm einen Stoß vor die Brust, sodass er in den Flur zurückgeworfen wurde. Blitzschnell traten die drei Gangster in die Wohnung. Nicky schob die Tür hinter sich zu. Chuck Berry hatte den erschrockenen Wohnungsinhaber bereits an den Aufschlagen seines Morgenmantels gepackt und zischte: »Ein lautes Wort, Alter, und du hörst die Engel singen.«
Von irgendwoher aus dem Innern der Wohnung drang eine halblaute Frauenstimme: »Was ist denn, Edward?«
Blender gab Nicky einen Wink. Sie eilten ins Wohnzimmer. Blender hatte sich dünne Lederhandschuhe übergezogen. Er schaltete das Licht im Wohnzimmer ein, in einer Art Ankleidezimmer, in einem kurzen Flur und schließlich hinter einer halb offen stehenden Tür. Er blickte in ein Schlafzimmer. Eine Frau von vielleicht fünfunddreißig Jahren sah ihn erschrocken an.
»Wer - wer sind Sie?«, stammelte sie tonlos.
»Aufstehen!«, befahl Blender. »Und zwar Tempo! Oder Ihr Alter ist binnen fünf Minuten eine Leiche.«
Die Frau fing an zu zittern. Ihre Augen weiteten sich entsetzt. Blender kannte diese Anzeichen. Mit einem Satz war er neben dem Bett, kniete darauf und presste der Frau die Hand auf den weit aufgerissenen Mund.
»Hören Sie zu! Hören Sie verdammt gut zu!«, sagte er eindringlich. »Wenn Sie Geschrei machen, muss es Ihr Mann mit dem Leben bezahlen, verstanden? Wenn Sie ruhig sind, wird Ihnen und ihm nichts geschehen. Aber halten Sie den Mund!«
Er wartete, bis der entsetzte Ausdruck auf dem Gesicht der Frau zurückgegangen war. Dann erst zog er die Hand zurück und wiederholte: »Stehen Sie auf! Ziehen Sie den Bademantel da an! Tempo, Ruhe und Gehorsam - das ist das Einzige, was euch beide am Leben erhalten kann.«
Die Frau gehorchte, zitternd zwar, aber ohne Gegenwehr und ohne weitere Anzeichen von Hysterie. Bis plötzlich aus einem Nebenzimmer eine helle Mädchenstimme zu vernehmen war: »Mammy, mit wem sprichst du?«
Blender griff mit der Linken zu. Er riss die Frau an sich du drückte ihr die Rechte auf den Mund. Dabei rief er über die Schulter zurück: »Nicky! Chuck!«
»Ich komme ja schon!«, ertönte die Stimme von Chuck Berry.
Gleich darauf kam er ins Schlafzimmer gelaufen. Mit dem Kopf
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