Jerry Cotton - 0575 - Die Diamanten-Killer
Wasserfall. Immer wieder schoben sich Schleier vor seine Augen. Steve Winston war nahe daran, sich einfach fallen zu lassen. Aber noch einmal kämpfte er gegen die drohende Ohnmacht an. Er sah das weiße Knöpfchen an dem schwarzen Apparat, drückte es und hörte das Freizeichen des New Yorker Ortsnetzes. Mit zitternden Fingern begann er zu wählen.
Und dann hörte er die Stimme von Desk-Sergeant Morris, der in dieser Woche Nachtdienst hatte. Steve Winston fiel ihm ins Wort.
»Ich bin verwundet, Dick. Schick mir einen Krankenwagen und-Verstärkung. In die Schmuckfabrik Abble… Schnell, ich kann nicht…«
Der Hörer fiel ihm aus der Hand. Rote Schleier verdüsterten den Blick seiner Augen. Mit einem schwachen Röcheln sackte er in sich zusammen.
***
Elleroy drückte den Klingelknopf nieder und trommelte gleichzeitig mit der anderen Faust gegen die Tür des Nachbarappartements. Er tat es solange, bis Vince Fallingpost mit verstörtem Blick die Tür aufriss. Fallingpost war Professor an der Columbia-Universität, Junggeselle und genau fünfzig Jahre alt. Er trug einen verwaschenen Hausmantel, unter dem die nackten Beine hervorlugten.
»Entschuldigen Sie«, stieß Elleroy hervor, während er sich schon an dem Professor vorbeischob. »Ich muss die Polizei anrufen! Bei uns waren Gangster. Ich fürchte, die haben unsere Firma ausgeraubt. Wo ist das Telefon?«
Fallingpost schlurfte schlaftrunken hinter ihm her. »Polizei?«, wiederholte er. »Was ist mit der Polizei?«
Aber Elleroy hatte schon das Telefon auf dem Ecktisch am Fenster entdeckt. Er stürzte sich drauf wie ein Verdurs-^ tender auf das rettende Getränk. Er schlug das Telefonverzeichnis auf. Auf der ersten Seite sprangen ihm die Buchstaben FBI entgegen. Er zögerte nicht. Über Zuständigkeiten mochten sich die Behörden einig werden. Er drehte die Wählscheibe.
»Federal Bureau of Investigation!«, sagte eine frische, ausgeruht klingende Mädchenstimme, obgleich es doch schon fast früher Morgen war. »New-York Distrikt. Was können wir für Sie tun?«
»Hier spricht Edward Elleroy. Ich bin Prokurist in der Schmuckfabrik Abble in den Downtown. Wir sind überfallen worden. Das heißt, es waren Gangster in meiner Wohnung, und…«
»Einen Augenblick, Mr. Elleroy«, fiel ihm das Mädchen ins Wort. »Ich verbinde Sie mit einem unserer Beamten. Bitte, berichten Sie dem.«
»Ja, selbstverständlich«, sagte Elleroy.
Einen Augenblick später vernahm er eine straffe Männerstimme: »Agent Zeerokah am Apparat. Mr. Elleroy, Sie sagten unserer Telefonistin etwas von Gangstern in Ihrer Wohnung. Sind sie noch da?«
»Nein. Sie waren hier. Aber sie sind wieder weg, nachdem…«
»Wurde jemand von Ihren Angehörigen gekidnappt?«
»Nein. Ich…«
»Befindet sich derzeit Ihres Wissens nach jemand in Lebensgefahr?«
»Nein. Ich glaube nicht, aber…«
»Gibt es einen Grund, warum Sie nicht sofort zwei FBI-Beamte empfangen könnten?«
»Nein. Kommen Sie nur! Das…«
»Die Adresse?«, fragte die straffe Stimme, indem sie ihn schon zum vierten Mal unterbrach. Elleroy gab seine Anschrift durch. »Wir sind in spätestens fünfzehn Minuten bei Ihnen. So long, Mr. Elleroy. Wir klingeln zweimal kurz, zweimal lang. Öffnen Sie keinem anderen.«
»Ja. Wie Sie meinen. Natürlich…« - Elleroy hatte den Hörer noch in der Hand, bevor ihm allmählich aufging, dass die Leitung schon unterbrochen war. Aber noch etwas anderes erkannte er. Die Angabe eines Klingelsignals konnte nur eins bedeuten. Der FBI-Mann rechnete damit dass die Gangster vielleicht zurückkommen würden…
»Danke«, rief Elleroy und stürzte aus der Wohnung des Nachbarn, um in seine eigene zurückzueilen. Er lief wie gehetzt durch alle Zimmer. Gott sei Dank, es war alles in Ordnung. Bis auf die Aufregung, die jetzt herrschte. Seine Tochter weinte, der Junge stellte pausenlos Fragen, seine Frau lief umher und tat sinnlose Dinge. Elleroy ging in die Küche und holte die Whiskyflasche aus dem Kühlschrank. Er schenkte seiner Frau und sich einen guten Schluck ein und kippte ihn in einem Zug.
Die Kinder wurden mit der Ermahnung ins Bett gebracht, nun wieder zu schlafen.
»Wir wollen froh sein, dass alles so glimpflich abgelaufen ist«, sagte Elleroys Frau.
Der Prokurist fuhr sich über die geschwollene Nase: Sie schmerzte von dem Faustschlag, den er hatte einstecken müssen. Aber das war nicht das Schlimmste.
»Glimpflich?«, murmelte Elleroy düster. »Ich habe den Kerlen den Tresorschlüssel
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