Jerry Cotton - 0579 - Warum musste Springfield sterben
Conny?«
***
»Ich bin Jerry Cotton«, sagte ich. »Wen wünschen Sie zu sprechen, bitte?«
»Conny — den Hotelbesitzer!«
Ein Geräusch ließ mich herumfahren. Auf der Schwelle zum Hotelrestaurant stand Phyllis Carter. Sie starrte mich an. »Wer ist es?« wollte sie wissen.
Ich legte eine Hand über die Sprechmuschel. »Leonie Archibald«, antwortete ich. »Kennen Sie sie. Sie möchte…«
Ich sah, wie Phyllis zu taumeln begann.
»Moment, bitte!« rief ich in das Telefon. Dann warf ich den Hörer aus der Hand. Mit wenigen Schritten hatte ich Phyllis Carter erreicht. Ich fing sie in letzter Sekunde auf und bewahrte sie vor dem Umfallen.
»Danke, es geht schon«, murmelte sie. Jetzt zitterte sie wieder stärker. Selbst ihr Kinn wurde von diesem Schütteln erfaßt. Mich wunderte es, daß ihre Zähne nicht hörbar klapperten. Ich führte sie zum Sofa und setzte sie hin. Wie ein folgsames Kind ließ sie alles mit sich geschehen.
Ich verstand nicht, was sie diesmal so erregte. Phyllis schaute mich an. Sie las mir die Frage von den Augen ab.
»Sie — Sie haben mit Leonie Archibald gesprochen?« fragte sie tonlos.
»So nannte sie sich am Telefon«, sagte ich. »Persönlich kenne ich sie nicht.«
»Aber sie ist tot!« schrie Phyllis so jäh, laut und wild, daß mich der Ausbruch wie ein Peitschenschlag traf. »Tot! Ich habe vor zehn Minuten ihre Leiche gesehen.«
Ich drehte mich um und ging zum Rezeptionstresen zurück. Ich griff nach dem Hörer. »Hallo?« rief ich.
Der Anrufer hatte aufgelegt. Wütend warf ich den Hörer auf die Gabel. Dann wandte ich mich dem Girl zu.
Phyllis erhob sich. Sie schwankte leicht, als hätte sie zuviel getrunken. »Kommen Sie mit«, sagte sie. Ich merkte, welche Anstrengung es sie kostete, sich zu beherrschen. Wir gingen nebeneinander die Straße hinab. Kein Lüftchen regte sich. Es war unerträglich heiß. Vor einem weißgestrichenen Häuschen machten wir halt.
»Gehen Sie hinein«, bat Phyllis. »Ich habe nicht die Kraft dazu. Öffnen Sie die erste Tür links. Sie werden Leonie neben dem Klappenschrank finden.«
Ich zuckte die Schultern und klopfte. Niemand antwortete. Ich betrat das Haus und öffnete die Zimmertür, die Phyllis mir genannt hatte.
Auf der Schwelle blieb ich stehen. Plötzlich wußte ich, daß Phyllis Carter nicht verrückt war. Wenn es so ausgesehen hatte, als sei bei ihr eine Sicherung durchgebrannt, so hatte das gute Gründe. Einer davon war direkt vor mir — eine alte tote Frau, die in einem Korbsessel saß und einen Stickrahmen in den Händen hielt.
Ich betrachtete mir die Tote genau. Sie wies keine sichtbaren Verletzungen auf. Ich berührte ihren Arm. Er war kalt und starr. Soweit ich es zu beurteilen vermochte, war die Frau schon mindestens achtundvierzig Stunden tot — genau wie mein Kollege Ray Stenton.
Ich durchblätterte das Telefonbuch und suchte die Nummer des County Sheriffs heraus. Er hieß Richard Ferguson. Sein Office war in der Kreisstadt.
»Thweatt«, meldete sich eine mürrische Männerstimme.
»Cotton vom FBI«, sagte ich. »Verbinden Sie mich mit Ihrem Chef.«
»Der ist zur Jagd gefahren. Wo brennt’s denn?«
»Ich bin hier in Springfield. Die Stadt gehört doch zu Ihrem Bezirk?«
»Leider«, sagte Thweatt.
»Wieso leider?«
»Es ist das traurigste Nest zu beiden Seiten des Mississippi«, erklärte er.
»Es ist inzwischen noch trauriger geworden«, sagte ich. »Hier sind ein paar Leute gestorben. Ich kann mich täuschen, aber ‘es sieht so aus, als sei ein Verbrechen geschehen. Behalten Sie das zunächst unterm Hut, und beschränken Sie sich darauf, mit Ihrem Chef und einem Arzt herüberzukommen — es ist brandeilig!«
»Brandeilig!« spottete er. »Ich erinnere mich nicht, daß es in Springfield jemals Eile gegeben hätte — nicht mal in seinen besten Zeiten.«
»Sie werden umlernen müssen«, sagte ich. »Noch eins. Sorgen Sie dafür, daß die Presse nichts erfährt.«
»He!« rief er aus. »Wollen Sie so ’ne Art Zensur einführen?«
»Es ist möglich, daß hier eine Seuche unbekannter Natur und Größenordnung ausgebrochen ist. Wenn das zuträfe, könnten falsch aufgemachte Berichte das Land in eine Panik stürzen. Wir müssen erst klären, was tatsächlich geschehen ist.«
Ich legte auf. Dann verließ ich das Zimmer und das Haus. Phyllis lehnte im Schatten der Veranda an einer hölzernen Strebe.
»Gehen wir«, sagte ich.
Phyllis rührte sich nicht vom Fleck. Sie starrte mich nur an. »Er ist noch hier«,
Weitere Kostenlose Bücher