Jerry Cotton - 0581 - Ich und der Krallenmoerder
kickte die Waffe gerade noch rechtzeitig aus seiner Reichweite. Stokeley schloß die Augen. Seine Mundwinkel sackten nach unten. Er begann plötzlich zu zittern. In dieser Sekunde wurde ihm klar, daß seine Trümpfe nicht gestochen hatten.
»Ja, ich habe alles mitgehört«, sagte ich zu Merlin. »Ich wußte allerdings schon früher, daß Sie der Krallenmörder sind.«
Steve trat ans Telefon. Fragend sah er mich an. Ich nickte ihm zu.
»Zuerst Mr. High, dann die zuständige Mordkommission und danach das Revier«, sagte ich.
Steve begann die Wählscheibe zu drehen. Merlin ließ sich wieder in den Sessel fallen. Er starrte ins Leere.
»Ich wünschte, ich könnte ein paar Dinge wiedergutmachen«, sagte er mit spröder Stimme.
»Wenn Sie wollen, können Sie gleich damit beginnen«, sagte ich. »Warum nehmen Sie nicht am Schreibtisch Platz?«
»Wollen Sie mein Geständnis?« fragte Merlin bitter. »Das haben Sie doch bereits!«
»Schriftlich ist es von größerem Wert«, sagte ich, während Steve mit Mr. High sprach. »Offen gestanden geht es mir noch um einige andere Dinge.«
»Zum Beispiel?«
»Wir sind seit langem hinter Manziola her. Leider fallen die Zeugen, die wir gegen ihn mobil machen können, immer wieder um. Sie würden uns einen Gefallen erweisen, wenn Sie dazu beitragen würden, Manziolas Organisation zu zerschlagen. Sie haben mit ihm verhandelt. Er hat Ihre Wünsche angenommen und durchzusetzen versucht.«
»Sie können mit mir rechnen«, sagte Merlin. »Wenn ich schon für immer hinter Gefängnismauern verschwinden muß, möchte ich nicht von dem Gefühl gequält werden, daß noch viel größere Schufte auf freiem Fuß sind.«
Er stand auf und ging zum Schreibtisch.
»Was soll ich schreiben?« fragte er und setzte sich. »Diktieren Sie es mir bitte.«
»Benutzen Sie ruhig Ihre eigenen Worte«, sagte ich.
Er lächelte bitter und griff nach seinem Füllhalter. »Meine letzte Freiheit«, erklärte er. »Man gestattet mir festzuhalten, was für ein Scheusal ich war.«
***
Es dunkelte bereits, als ich mit meinem Freund Phil Decker das District Office verließ. Die Zeitungsverkäufer trompeteten die letzten sensationellen Schlagzeilen in die Straßenschluchten. Ich sah schon von weitem den Mann, der an meinem Jaguar lehnte. Ich erkannte ihn erst, als wir vor ihm standen.
»Mr. Coster!« sagte ich.
Er grinste breit und streckte mir seine Hand entgegen. »Ich möchte Ihnen danken, Sir. Ohne Ihre Hilfe säße ich vermutlich noch immer im Knast.«
»Der Irrtum hätte sich aufgeklärt«, winkte ich ab und ließ mir die Rechte drücken. »Früher oder später mußte sich Ihre Unschuld erweisen.«
»Früher ist es mir schon lieber«, lachte er. Er wurde rasch wieder ernst. »Ich suche Ihren Rat, G-man. Würden Sie mir empfehlen, daß ich mich um sie kümmere?«
»Um wen?« fragte ich.
»Um Fay Merlin«, erwiderte er. »Ich hörte, daß sie heute nachmittag verhaftet wurde, zusammen mit den Leuten, die sie festgehalten haben. Ihr Mann wird für immer im Gefängnis bleiben. Sie ist jetzt praktisch allein.«
Ich grinste matt. »Und das schmerzt Sie?«
»Sie hat versucht, mich in die Pfanne zu hauen«, sagte er, »aber gleichzeitig hatte sie wegen dieser Geschichte ein schlechtes Gewissen. Sonst hätte sie doch nicht versucht, mir durch diesen Curson fünfhundert Dollar zukommen zu lassen!«
»Fay hat noch keinem Mann Glück, gebracht«, warnte ich ihn.
»Vielleicht liegt es daran, daß noch keiner versucht hat, sie wirklich glücklich zu machen«, meinte Coster. »Für Stokeley war sie nur ein Mittel zum Zweck, und Merlins Liebe war geradezu krankhaft. Ich bin ein miserabler Pianist und ein noch schlechterer Pokerspieler — aber vielleicht habe ich mit der Liebe mehr Erfolg.«
»Versuchen Sie es immerhin einmal«, sagte ich und kletterte mit Phil in den Jaguar. »Es hat noch keinem geschadet, etwas Gutes zu tun.«
ENDE
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