Jerry Cotton - 0592 - Ein Bettler macht kein Testament
Wagen zurück. Hillers, der sich seit heute morgen in Untersuchungshaft befand, hockte wie ein Häufchen Elend mit gefesselten Händen neben dem Fahrer, einem Sergeant aus dem Justizwachdienst. Er hatte inzwischen den Mord an Whistling Tate gestanden und war sich klar darüber, daß es um seinen Kopf ging.
Phil betrachtete interessiert das Anwesen. Es war so vornehm wie die ganze Umgebung. Das Grundstück war von einer niedrigen Mauer umgeben, auf der sich noch ein schwerer Gitterzaun befand. Das schmiedeeiserne Tor verriet Wohlstand und Geschmack. Anerkennend schnalzte Phil mit der Zunge.
Wir gingen zunächst an dem Grundstück vorbei. Es war später Nachmittag. Nur gelegentlich begegnete uns jemand.
Nach einer halben Stunde näherten wir uns wieder dem Ausgangspunkt. Wir hatten einmal den Block umrundet und dabei festgestellt, daß ein Ausläufer des Alley Park bis an die Rückseite des Grundstücks heranreichte. Im Westen und Osten war es von anderen Besitzungen abgegrenzt.
»Und was machen wir jetzt?« fragte Phil.
»Na, sehen wir uns die Räuberhöhle doch einmal an!« erwiderte ich und klopfte auf meine Jackentasche, wo der Durchsuchungsbefehl steckte. Aufgrund der Aussagen Hillers’ hatten wir ihn bekommen.
Wir wollten gerade zu Rosebuds Haus hinübergehen, als ein Auto heranraste. Der Fahrer bremste scharf. Ein zweiter Mann stieg aus, hantierte am Tor und öffnete es. Der Mann war groß und schlank und sah ganz so aus, wie Hillers uns Ritchie Garrick beschrieben hatte.
Der Mann am Steuer war älter als sein Beifahrer. Er wirkte korpulent, und die Hände, die das Lenkrad umfaßten, waren riesengroß. Jetzt stieg der andere wieder ein, und der Wagen schoß die Auffahrt zum Haus hinauf. Wie von Geisterhand schloß sich das schwere Tor wieder.
Die beiden Männer sprangen aus ihrem Wagen und eilten ins Haus. Wir marschierten auf das große Parktor zu und wollten klingeln.
Doch Mr. Rosebud, er mußte der Dicke sein, schien nicht viel von Besuch zu halten. Am Gartentor war keine Klingel.
Phil sah mich verdutzt an, ich blinzelte ebenso verblüfft zurück. »Wenn ich mich recht erinnerte, gibt es vom Alley Park einen Zugang zum Grundstück.«
Erneut umrundeten wir das Grundstück und gelangten von der Parkseite her an eine Holzpforte in einem niedrigen Zaun, die halb offen stand.
Der zu Rosebuds Haus gehörige parkähnliche Garten hatte offensichtlich seit Jahren keinen Gärtner mehr gesehen. Von der Straße her hatte das Grundstück keinen so verwahrlosten Eindruck gemacht.
Die ganze Rückseite des Hauses bestand aus einer riesigen Veranda.
»Wenn ich mal den Dienst quittiere, weiß ich, wo ich mich zur Ruhe setze«, meinte Phil anerkennend.
Flankiert von verwilderten Büschen und Sträuchern, gingen wir auf die Verandatür zu. Sie war nur angelehnt.
Wir betraten eine Art Wintergarten mit Möbeln im Kolonialstil.
»Hallo«, rief Phil, »hallo!« Und dann, zu mir gewandt: »Verstehst du das? Wir haben Rosebud und Garrick doch ins Haus gehen sehen. Sie müssen hier sein!«
»Das werden wir herausfinden«, gab ich zur Antwort und öffnete die Tür zum angrenzenden Raum. Es war eine Art Ankleidezimmer. Über einer Stuhllehne hing eine Hose. Nach der Weite zu urteilen, mußte sie dem älteren Mann, also Rosebud, gehören.
Auch im nächsten Zimmer rührte sich nichts. Noch einmal riefen wir, um uns bemerkbar zu machen. Keine Antwort.
»Ich gehe nach oben«, beschloß Phil.
»Ist gut«, knurrte ich und sah mich in dem Raum um. Es war ein großes Herrenzimmer mit Bücherregalen an den Wänden und wertvollen Teppichen. Es war zweifellos der Raum, in dem sich Rosebud und Garrick am meisten aufhielten. Überall standen Flaschen und randvoll gefüllte Aschenbecher herum. Auf der Couch lagen Magazine und Zeitungen verstreut.
Auch auf dem Schreibtisch lagen Zeitungen. Sie waren alle vom vorigen Tag, und jede brachte die Ermordung von Rechtsanwalt Tybell in großer Aufmachung auf der Titelseite. Ich ging zur Couch hinüber und fischte mir die Tageszeitungen aus dem unordentlichen Haufen. Es war, wie ich erwartet hatte. Alles Blätter vom letzten Mittwoch, dem Tag, nachdem man Fred Riddle im Fahrstuhl seines Warenhauses erschossen aufgefunden hatte. Natürlich war der Mord in allen Ausgaben die Titelstory.
Mein Blick fiel auf eine Blumenvase, die in dem Durcheinander auf dem Schreibtisch irgendwie deplaziert wirkte. Ohne besonderen Grund nahm ich die Vase in die Hand. Etwas in ihr schlug vernehmlich gegen die
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