Jerry Cotton - 0598 - Der Bakterien-Moerder
sei.«
»Genau wie der Tote vom Müllplatz«, sagte Phil. »Brauchst du Hilfe?«
»Nicht im Augenblick«, erwiderte ich. »Ich rufe dich wieder an, sobald ich Näheres weiß.«
Ich ging zurück ins Lokal, das sich inzwischen bis zur Hälfte mit Gästen gefüllt hatte. Mir fiel auf, daß nur wenige Frauen darunter waren. Die meisten Männer machten den Eindruck wohlhabender Manager und Geschäftsleute.
Das Essen war ausgezeichnet. Seine Güte, aber auch die gepfefferten Preise machten deutlich, weshalb das Publikum über dem Durchschnitt lag.
Margie Sullivan war mit dem hochgewachsenen Börsianer ins Gespräch gekommen. Der Mann hatte ein scharfgeschnittenes, recht interessantes Profil. Noch während ich es mit den Blicken nachzeichnete, bemerkte ich ein bestürzendes Phänomen.
Das Profil des Mannes begann plötzlich zu flattern. Es erschien mir wie das Fernsehbild eines schadhaften Gerätes und zerteilte sich in zitternde Wellenlinien.
Ich kniff die Augen zusammen und öffnete sie wieder. Die Wellenlinien blieben. Ich wandte meinen Blick dem Mädchen zu. Margie Sullivans Kleid mit dem tiefen Rückenausschnitt erhielt plötzlich eine andere Farbe. Es war von leuchtendem Violett.
Ich schüttelte den Kopf wie ein Hund, der aus dem Wasser steigt, und merkte, wie mir heiß wurde.
Gift, schoß es mir gleichzeitig durch den Kopf. Die Burschen haben mich vergiftet.
Ich versuchte aufzustehen, aber meine Füße versagten mir den Dienst. Sie blieben am Boden stehen, als seien sie festgenagelt.
Ich merkte, wie mein ganzer Körper von einem leisen Prickeln erfaßt wurde. Es war nicht schmerzhaft, aber furchtbar unangenehm.
Ich muß Margie Sullivan auf mich aufmerksam machen, dachte ich. Sie wird mir helfen.
Ich versuchte etwas zu rufen, aber ich brachte nur einen heiseren Krächzlaut über die Lippen. Eine Lautsprecheranlage übertönte ihn mit dezenter Tanzmusik.
Einer der Gäste wandte mir seinen Kopf zu. Ich sah, wie sich bei meinem Anblick seine Augen weiteten. Offenbar hatte sich mein Gesichtsausdruck jäh verändert.
Mit einer fast übermenschlichen Anstrengung schaffte ich es, das Glas vom Tisch zu schieben. Es fiel zu Boden und zerbrach. Jetzt blickten alle Gäste zu mir her, auch Margie Sullivan. Ich sah, wie sie von ihrem Barhocker glitt und auf mich zueilte.
Noch ehe sie mich erreicht hatte, begannen sich rote Kreise vor mir zu drehen. Die Konturen zerflossen zu einem Inferno greller Farben.
Ein paar kräftige Männerhände erfaßten mich an den Schultern.
»Lassen Sie nur!« ertönte die Stimme des Obers beruhigend. »Ich erledige das schon. Ein kleines Unwohlsein, nehme ich an. Wir erleben das oft. Der Herr hat unser Kizz Ajuba gegessen, es ist stark mit Glutamat durchsetzt. Das bekommt nicht jedem, ist aber völlig ungefährlich.«
Ich hörte, wie Margie Sullivan etwas sagte, ohne den Sinn der Worte zu erfassen.
Im nächsten Moment verlor ich das Bewußtsein.
***
Die Lampe war direkt über mir. Ich öffnete die Augen und schloß sie sofort wieder, weil das harte, stechende Licht wie Feuer brannte.
Es dauerte einige Sekunden, bevor meine Erinnerung einsetzte. Ich ruhte auf einer gepolsterten Unterlage, vermutlich einer Couch. Ich war nicht gefesselt und konnte mich frei bewegen. Ich hatte keine Kopfschmerzen; nur in der Nackengegend machte sich ein starker Druck bemerkbar.
In dem Raum war es sehr still. Nur eine Uhr tickte. Ihr Rhythmus schien die Stille eher noch zu vertiefen. Ich spürte, daß ich nicht allein war.
Ich rollte mich auf die Seite und hob die Lider. Mein Blick kreuzte sich mit dem eines Mannes, der ungefähr in meinem Alter war und knapp drei Schritte von mir entfernt an einem Schreibtisch saß.
Der Mann hatte ein schmales, stark gebräuntes Gesicht. Er war ein Araber.
Der Mann spielte unablässig mit einem Kugelschreiber. Lautlos und gewandt, aber auch sichtlich nervös. Seine dunklen Augen wirkten wie ausgebrannt. Er sah recht gut, aber irgendwie erschöpft und deprimiert aus.
Bekleidet war er mit einem dunkelblauen, etwas dandyhaft gearbeiteten Anzug. Die dazu passend gewählte Krawatte war blauweiß getupft. Ich spürte erst jetzt, daß er stark nach einem Parfüm oder Rasierwasser duftete.
Wir befanden uns allein in dem nur mäßig großen Raum. Die Einrichtung wies das Zimmer als eine Art Wohnbüro aus. An den Wänden standen ein paar Kartei- und Rollschränke. Die Couch, auf der ich lag, gehörte zu einer dreiteiligen Sitzgarnitur. Sie war mit einem
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