Jerry Cotton - 0598 - Der Bakterien-Moerder
schokoladenfarbenen Plüsch bezogen. Von draußen drang kein Geräusch in den Raum.
Ich schwang meine Füße auf den Boden und richtete gleichzeitig den Oberkörper auf. Ich verfuhr dabei sehr vorsichtig, aber der erwartete Schmerz in meinem Kopf stellte sich nicht ein. Sogar der Druck in meiner Nackengegend ließ etwas nach. Trotzdem fühlte ich mich keineswegs frisch oder erholt. Ich war so schlapp wie nach einem 50-Meilen-Gepäckmarsch.
»Sie sind Raoul, nehme ich an«, würgte ich mit rauher Stimme hervor.
Der Mann am Schreibtisch nickte und legte den Kugelschreiber aus der Hand. »Ich bin Raoul Afir«, stellte er sich vor. »Und Sie sind der G-man Jerry Cotton.« Meine Hand zuckte unwillkürlich nach der Brieftasche. Sie befand sich noch dort, wo sie gewesen war, aber Afir hatte meine Ohnmacht zweifelsohne dazu benutzt, meine Papiere zu überprüfen.
’ »Richtig«, sagte ich und räusperte mich, um den fremden Klang meiner Stimme loszuwerden.
»Ich habe mir erlaubt, Ihnen die Dienstwaffe abzunehmen«, sagte Afir. »Wir haben Ihnen auch den Hemdkragen geöffnet und die Schulterhalfter abgenommen. Das alles hat Ihnen geholfen, sich erstaunlich rasch zu erholen. Sie waren nur zwölf Minuten bewußtlos.«
Ich starrte Afir an. Er sprach fast so, als müsse er seine Handlungsweise erklären oder gar verteidigen. Ich fühlte jedoch, daß mich die eigentlichen Schlager seines Repertoires erst noch erwarteten.
»Wir?« fragte ich ihn »Der Ober und ich.«
»Was ist mit dem Mädchen?«
»Mit welchem Mädchen?«
»Schon gut«, sagte ich. »Vergessen Sie’s!« Ich rappelte mich mühsam hoch, machte zwei Schritte nach vorn und stützte mich dann mit beiden Händen auf die Schreibtischplatte. In meinem Kopf entstand ein rasch verebbendes Schwindelgefühl.
»Sie sirid der Lokalbesitzer?« erkundigte ich mich.
»Gewiß«, sagte Afir. »Ich bin der Boß.«
»Warum haben Sie mir dieses Zeug in das Essen geschüttet?«
Ich rechnete damit, daß er bestreiten würde, etwas Derartiges getan zu haben, aber statt dessen erwiderte er: »Es wurde Zeit, etwas gegen Sie zu unternehmen.«
»Wie haben Sie mich erkannt?«
Er wies auf eine Sprechanlage auf seinem Schreibtisch. »Unser Münzautomat ist mit diesem Verstärker verbunden. Wir können jedes Gespräch abhören, das von den Gästen geführt wird.«
Ich blickte zur Tür. Ich fragte mich, wohin sie führte und ob sie abgeschlossen war.
»Setzen Sie sich wieder!« sagte Afir. »So kurz vor dem Tod sollten Sie es sich weitgehend bequem machen.«
»Ich habe nicht vor, so früh zu sterben«, teilte ich ihm mit.
»Das überrascht mich nicht«, meinte Afir, »aber betrüblicherweise sehen wir uns außerstande, Ihren Wünschen und Absichten entgegenzukommen.«
Ich ließ mich in einen der Sessel fallen und verschränkte die Hände vor meinem Bauch. Ich drehte die Daumen abwechselnd vor und zurück. Ich war nicht ängstlich. Afir war auf irgendeine Weise düster und entschlossen, aber ich hatte das Gefühl, daß mir nichts mehr passieren konnte.
»Wie groß ist Ihre Bande?« fragte ich. »Es ist nicht meine Bande«, sagte er. »Sie sind nicht der Boß?«
»Nein.«
»Ach ja, richtig. Der Boß trägt eine Brille und hat schütteres Haar. Seine sanfte, einschmeichelnde Stimme steht im krassen Gegensatz zur Brutalität seiner Entscheidungen.«
»Sie wissen eben zuviel, wenn auch noch nicht genug«, sagte Afir.
»Stimmt«, meinte ich kopfnickend. »Wir sind daran interessiert, noch ein paar Lücken in unseren Ermittlungen zu füllen. Da wäre zum Beispiel der Tote, den wir auf dem Müllplatz fanden. Kannten Sie ihn?«
»Ja«, sagte Afir, dessen dunkle Augen stumpfer denn je wirkten. »Er war mein Bruder.«
»Amerikaner?«
»Libanese«, sagte Afir. »Ein Seemann. Er schmuggelte uns gewisse Ingredienzen ins Land. Betrüblicherweise kam er auf die Idee, einige davon zu kosten. Das ist ihm nicht bekommen.«
»Aber er wurde erschossen!«
Afir lächelte matt und bitter. »Die Kugeln trafen ihn, als er schon tot war. Es handelte sich dabei um eine Sicherheitsvorkehrung des Bosses. Für den Fall, daß die Leiche entdeckt und identifiziert wird, sollte die Polizei nicht dahinterkommen, welches Gift meinen Bruder tötete.«
»Ich verstehe«, sagte ich. »Die Gang wollte unter allen Umständen vermeiden, daß die Polizei den Schmuggelweg aufrollt. Sie zog es deshalb vor, den Toten als das Opfer einer Schießerei erscheinen zu lassen.«
»Es war nicht meine Idee.«
»Warum
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