Jerry Cotton - 2903 - Das Haus der 1000 Augen
der Polizei war um zwei Uhr zwölf eingegangen. Dementsprechend hatten wir alle Alibis besonders auf die Zeit kurz vor zwei überprüft.
»Verdammt, jetzt haben wir gerade Thomas Baxters Alibi für zwei verifiziert. Wo er um eins gewesen ist, wissen wir nicht, und er hat es uns nicht gesagt. Das heißt also, er ist wieder im Rennen«, sagte Phil.
»Und wie«, bestätigte ich. »Würde mich nicht überraschen, wenn …«
Es klopfte und ich brach den Satz ab.
Michael Nawrath steckte wieder den Kopf zur Tür rein und verkündete: »Ich habe ihn!«
***
»Collin Rothschild, Sheffield Avenue. Das ist zumindest die letzte Adresse, wo er gemeldet war, ist aber auch schon drei Jahre her«, las Phil vom Computerbildschirm im Jaguar ab, während ich den Wagen in Richtung Brooklyn steuerte.
Sobald wir von Michael Nawrath den Namen desjenigen erfahren hatten, der auf Baxters Daten zugegriffen hatte, hatten wir uns auf den Weg gemacht, während Michael sich daranmachte, die gelöschten Daten zu rekonstruieren.
»Vorbestraft wegen Einbruchs und Widerstands gegen die Staatsgewalt vor zehn Jahren, seitdem nur ein paar Strafzettel wegen überhöhter Geschwindigkeit und einmal Überfahren einer roten Ampel«, fuhr Phil fort. »Gelernter Sanitärfachmann, aber es gibt keinen Vermerk über eine dauerhafte Beschäftigung. Mehr Daten haben wir nicht.«
»Das ist nicht so viel. Immerhin, wenn er vorbestraft ist wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt, können wir uns ja auf einiges gefasst machen, falls er nicht inzwischen dazugelernt hat. Haben wir ein Foto?«, wollte ich wissen.
»Ja, vom Führerschein von vor zwei Jahren. Man kann ihn darauf recht gut erkennen«, antwortete Phil.
Das war gut. Sollten wir Rothschild nicht direkt antreffen, konnten wir uns zumindest bei den Nachbarn erkundigen, ob er überhaupt noch dort wohnte.
Über die Brooklyn Bridge fuhren wir nach Brooklyn Downtown und von dort die Atlantic Avenue weiter Richtung Brownsville. Kurz vor der Pennsylvania Avenue bogen wir rechts ab in ein Wohn- und Gewerbegebiet und hatten kurz danach unser Ziel erreicht, ein Haus mit etwa zehn Mietparteien. Wir überprüften die Klingelschilder, Mr Rothschild war jedoch nicht verzeichnet. Daher klingelten wir einfach bei M. Dukenberger im Erdgeschoss.
»Wer ist da?«, knarzte es aus der Gegensprechanlage.
»Special Agents Decker und Cotton vom FBI New York«, antwortete ich. »Wir hätten eine Frage.«
Der Türöffner summte und wir traten in einen ordentlichen, gefliesten Hausflur. Zu unserer Rechten öffnete sich eine Tür einen Spalt weit und über einer Türkette zeigte sich das Gesicht eines etwa sechzigjährigen Mannes.
»Können Sie sich ausweisen?«, fragte er griesgrämig.
Ich zeigte ihm meinen Ausweis, und nachdem er sowohl diesen als auch den von Phil gründlich gemustert hatte, öffnete er uns die Tür und bat uns herein.
»Was wollen Sie denn von mir?«, knurrte er, als er die Tür wieder geschlossen hatte.
»Eigentlich suchen wir einen Mister Collin Rothschild«, erklärte ich. »Kennen Sie den?«
»Rothschild? Kann schon sein. Worum geht’s?«
»Wohnt er hier?«, fragte ich weiter, ohne auf Dukenbergers Frage einzugehen.
»Nee, wieso? Hat er was ausgefressen?«
Ich merkte, dass es Phil langsam zu bunt wurde, versuchte es aber noch einmal mit Geduld und einer ausweichenden Antwort. »Routineuntersuchung. Woher kennen Sie ihn denn, wenn er nicht hier wohnt?«
Sein Interesse schien etwas nachzulassen, da es sich nur um eine Routinesache handelte, aber sehr viel gesprächiger wurde er dadurch nicht. »Hat mal hier gewohnt. War Hausmeister. Ist aber schon über ein Jahr weg.«
»Wissen Sie, wohin er gezogen ist?«, versuchte Phil sein Glück, erhielt aber nur ein Kopfschütteln zur Antwort.
Wir zeigten ihm noch das Bild von Rothschild, das wir hatten, um sicherzugehen, dass wir von demselben Mann sprachen, und erkundigten uns nach dem neuen Hausmeister.
»Meyer, zweite Etage«, knurrte er und drängte uns zur Tür, die er ohne weitere Worte hinter uns schloss.
»Puh, das ist ja ein netter Zeitgenosse«, stöhnte Phil, während wir die Treppe hinaufstiegen.
»Ja, ganz reizend«, grinste ich. »Nur schade, dass er so viel redet. Man kommt ja gar nicht zu Wort.«
»Hoffen wir, dass Mister Meyer anders ist und die neue Adresse seines Amtsvorgängers kennt«, sagte Phil.
Dann standen wir auch schon in der zweiten Etage vor Meyers Wohnung und klingelten.
Eine Weile rührte sich nichts und ich wollte
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