Jerry Cotton - 2909 - Rache ist ein einsames Geschaeft
gab. Sie sagte, wenn genügend Anträge eingereicht würden, käme die Sache erneut ins Rollen.«
»Und, wie ging es weiter?«, fragte ich.
»Wir redeten ein paar Mal miteinander. Sie war nett. Freundlich. Gab uns Hoffnung. Dann, eines Tages, rief sie an und teilte uns mit, dass aus dem neuen Verfahren nichts werden würde. Wir waren sehr enttäuscht. Aber sie ließ uns wissen, sie sei immer für uns da, falls wir einmal einen Anwalt bräuchten.«
»Deshalb haben Sie sie angerufen, als Ihr Sohn bei uns war?«, wollte ich wissen.
»Ja, Agent Cotton. Ich habe Deborah angerufen und sie sagte mir zu, sich um Hank zu kümmern. Was sie auch tat. Am nächsten Morgen war er frei.«
»Auf Kaution«, erinnerte ich ihn dumpf. »Wo finden wir ihn jetzt?«
Hamilton zuckte ratlos mit den Schultern. »Er ist seit gestern verschwunden«, teilte er uns mit tonloser Stimme mit.
***
»Sage ich doch. Hank Hamilton hat die beiden Morde an Susanna Parker und Doris Gillmore begangen. Und jetzt die einzige Zeugin, die ihn identifizieren könnte, Marjorie Rosenberg, umgebracht.« Blair sah wütend und gleichzeitig selbstzufrieden aus, als er diese These von sich gab. Wir saßen alle drei in Phils und meinem Büro.
»Jetzt sitzt er mit Clarice irgendwo in einem Versteck und wartet den richtigen Moment ab, um auch sie umzubringen.« Unser afroamerikanischer Kollege sprang bei diesen Worten auf und lief wie ein Tiger im Käfig vor unseren Schreibtischen hin und her.
»Blair, es gibt keinen Hinweis darauf, dass Hank Hamilton am Wochenende mit Clarice Culver in Atlantic City war, oder?«
Blair schüttelte den Kopf. »Die Anfrage dort läuft noch über die zuständigen Kollegen.«
»Wir geben dennoch eine Fahndung nach Hank Hamilton heraus. Zeitgleich machen wir Druck in Atlantic City. Clarice muss mit ihrem Lover in einem Hotel abgestiegen sein. Dort werden wir auch ein Foto von Hank zeigen, dann wissen wir ja, ob er dabei war.« Ich überlegte kurz, bevor ich fortfuhr. »Wir sollten jetzt auf jeden Fall Deborah Ann Walker befragen. Vielleicht hat sie eine Ahnung, wo sich ihr Klient versteckt hält.«
Blair signalisierte mir, er wolle mitkommen. »Den Mistkerl greife ich mir!«
Ich wandte mich zu Phil. »Was macht die Suche nach Naomi Cline?« Mein Partner klickte ein paar Dokumente auf seinem Computer an.
»Sie hat sich in Berkeley für Wirtschaftswissenschaften eingeschrieben, genau wie uns ihre ehemaligen Pflegeeltern gesagt haben. Allerdings hat Naomi bereits ein Jahr später die Universität verlassen. Unsere Computerspezialisten haben ihren Namen dann durch alle verfügbaren Datenbanken gejagt. Mit dem Ergebnis, dass ihr Name nirgendwo mehr aufgetaucht ist.«
Blair und ich schauten Phil verblüfft an.
»Sie ist komplett von der Bildfläche verschwunden?«
»Ja. Als wäre sie, sagen wir einmal, an den Nordpol gezogen.«
»Immerhin eine Möglichkeit«, gab Blair zu bedenken. »Eine junge Frau, die nichts als Leid erfahren hat. Vielleicht ist sie nach Paris gezogen. Oder nach Kanada.«
»Das haben wir uns auch gedacht. Weil ja die Familie in beiden Ländern oft ihre Urlaube verbracht hat. Aber nichts. Keine unserer verfügbaren Quellen hat irgendeine Information über Naomi Cline.« Phil schlug mit einer abschließenden Geste auf die Tastatur seines PC. »Die einzige Möglichkeit, die uns noch bleibt, heißt Angela Plinke. So hieß Naomis Mitbewohnerin in Kalifornien. Wenn sie nicht weiß, wohin ihre Freundin damals gezogen ist, dann haben wir allerdings wirklich schlechte Karten!«
***
»Sie wollen zu Deborah?« Die Sozialarbeiterin mit dem zimtfarbenen Haar sah aufgeschreckt von mir zu Blair und zurück.
»In der Tat. In ihrer Kanzlei hat man uns gesagt, dass sie heute Abend hier ist. Ist sie in ihrem Beratungsraum?« Ich hatte mich bereits umgedreht und marschierte auf den Flur mit den wenigen Türen zu, der von der großen, halbrunden Empfangsdiele abging.
»Agent Cotton, warten Sie!« Die Augenlider der Frau zuckten nervös. »Deborah gibt heute keine Beratung. Sie ist im Sportraum.«
Erstaunt blickte Blair die Frau an.
»Sportraum?«, echote er. »Sie geben auch Fitnesskurse?«
»Nein. Nein.« Die Frau winkte mit beiden Armen ab, als sei es unanständig, den Körper nur zum Vergnügen zu trainieren. »Aber gehen Sie, sehen Sie selbst!« Sie wies uns mit einer flüchtigen Handbewegung den Weg.
Der Sportraum entpuppte sich als ein kleiner, fensterloser Raum, der olfaktorisch dennoch erfreulich wenig an normale
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