Jerry Cotton - 2909 - Rache ist ein einsames Geschaeft
wieder von beiden Seiten gepackt.
»Schluss mit den Mätzchen, Hines. Heute wollen wir von Ihnen nichts mehr hören und sehen«, knurrte der Mann. Sie zogen ihn mit sich hinaus und ich atmete beim Anblick des zappelnden Mannes einmal tief durch. Ich besah mir noch einmal das Foto. Die Frau darauf schlief, dessen war ich mir ganz sicher. Leider beruhigte es mich kein bisschen. Wo immer Clarice jetzt war, sie war mit jemandem zusammen, den sie für ihren Freund hielt. Ein fataler Irrglaube, denn der Mann würde Clarice’ Mörder werden.
***
»Vor einigen Tagen gab es ein kleines Gerangel zwischen Hines und einem Mitgefangenen namens Fernandez. Der Mann ist im Putzdienst und hatte theoretisch Zugang zu Hines’ Zelle. Es wird vermutet, dass Hines ihn verdächtigt, die Nachrichten überbracht zu haben.«
Phil informierte mich im Beisein des stellvertretenden Gefängnisdirektors über die neuesten Entwicklungen.
»Fernandez wurde bereits befragt, hat aber angegeben, es habe sich nur um ein Missverständnis gehandelt und er habe überdies keine Ahnung, um welche Botschaften es gehe.« Der stellvertretende Direktor von Rikers Island saß mit besorgter Miene an seinem Schreibtisch.
»Der Verantwortliche ist also Fernandez selbst oder jemand, der Fernandez gezwungen hat, für ihn diese Briefe in Hines’ Zelle zu hinterlegen. Im letzteren Fall hat Fernandez Angst. Entweder davor, zukünftig unter seinen Mitinsassen als Verräter dazustehen, weil er Knastinterna an das FBI weitergegeben hat, oder vor seinem Auftraggeber«, resümierte ich. »So oder so, werden wir wohl nichts aus ihm herausbekommen.«
»Wenn es so wichtig ist für Ihre Ermittlungen, gäbe es vielleicht aber doch eine Möglichkeit, obwohl ich sie bisher nicht in Erwägung gezogen habe«, schlug der Stellvertreter nun vor. »Fernandez hat vor kurzem einen Antrag gestellt, in ein anderes Gefängnis verlegt zu werden. Er stammt aus Mexiko. Seine Familie lebt dort und ebenso irgendeine Frau, die er als seine Verlobte betrachtet. Die Leute sind nicht gerade wohlhabend, niemand findet den weiten Weg hierher, um Fernandez zu besuchen.«
»Wenn Sie ihm zusichern, diesem Anliegen von Ihrer Seite aus wohlwollend gegenüberzustehen, könnten wir als Gegenleistung mit seiner Aussage rechnen, weil er sich erhofft, seine Familie dort öfter zu sehen?« Phil schnippte mit den Fingern. »Das wäre doch einen Versuch wert.«
»Gut, Agents, werden wir ihn gleich morgen noch einmal befragen. Ich lasse Ihnen das Ergebnis danach umgehend zukommen.«
***
Wir zeigten Marge Culver noch am selben Abend das Foto. Sie bestätigte uns, dass es sich bei der jungen Frau um ihre Tochter Clarice handelte. Gleich darauf brach sie zusammen und musste ärztlich behandelt werden.
»Marge, Ihrer Tochter geht es vermutlich gut. Aber sie ist mit jemandem zusammen, der sie für einen perfiden Plan benutzt«, sprach ich auf die Verzweifelte ein. Ganz bewusst wollte ich nicht von Mord sprechen, aber sie wusste natürlich Bescheid.
»Betty, kümmern Sie sich um Ihre Mutter«, bat ich Marges jüngere Tochter. »Versuchen Sie sich noch einmal ganz genau an alles zu erinnern, was Ihre Schwester Ihnen über ihren Ausflug nach Atlantic City erzählt hat. Mit wem hat Clarice sich getroffen? Jedes Detail ist wichtig.«
Betty sah mich mit einem Blick an, den ich nicht deuten konnte. »Agent Cotton, ich rufe Sie an, wenn uns etwas einfällt«, versprach sie mir schließlich.
Bevor Phil und ich an diesem Abend nach Hause fuhren, erkundigten wir uns, ob jemand sich der Wohnung der Culver-Frauen genähert hatte. Das war nicht der Fall.
Auch Blair hatte keine guten Neuigkeiten. »In ihrer Wohneinheit wurde Clarice Culver seit einigen Tagen nicht gesehen. Ich war in ihrem Apartment, alles scheint an seinem Platz zu sein, es gibt keine Anzeigen für einen Einbruch. An ihrem Arbeitsplatz ist die junge Frau seit vorgestern nicht erschienen. Sie hat eine SMS geschickt, dass sie aus privaten Gründen einige Tage Urlaub nimmt. Seither ist ihr Mobiltelefon nicht mehr erreichbar.«
Inzwischen war es komplett abgeschaltet, auch die Bandansage lief nicht mehr.
»Der Mörder hat Clarice in seiner Gewalt. Wir müssen prüfen, wo ihr Mobiltelefon zuletzt geortet wurde. Und dann hoffe ich, dass Marge oder Betty etwas einfällt.« Mir war klar, dass wir uns nun in einem Wettrennen gegen die Zeit befanden. Leider sah es momentan dabei für uns nicht gut aus.
***
Am nächsten Morgen, kaum dass wir unser Büro
Weitere Kostenlose Bücher