Jerry Cotton - 2911 - Jung schoen und toedlich
Franklin hob die Schultern und ließ sie wie kraftlos wieder sinken. »Sie ist nur seit gestern Abend nicht nach Hause gekommen. Okay, das hatten wir schon mal. Schon ein paar Mal, um ehrlich zu sein. Aber dann war sie immer bei einer Freundin. Dann hat sie morgens gleich angerufen und war spätestens um zehn, elf Uhr zu Hause. Und jetzt …«, er blickte auf seine Armbanduhr, »geht es schon auf halb eins zu. Verstehst du, Val? Jetzt ist es klar, dass da was nicht stimmt. So was hat sie noch nie gemacht. Wir haben ihre Freundinnen gefragt; keine weiß etwas. Auch Ashley nicht, obwohl die beiden sonst über alles reden.«
Val Guardo nickte versonnen. Ashley war die jüngere Tochter der Franklins, ein patentes Mädchen wie ihre große Schwester. Überhaupt, das wussten der Sergeant und alle anderen im Revier, hatte Bob Franklin mit seiner Familie das große Los gezogen. Es war eine Familie, in der alles stimmte.
»All right«, sagte Sergeant Guardo entschlossen. »Fangen wir mal von vorne an, Bob. Wann war Patty zuletzt zu Hause? Ich nehme an, Mary hat sie zuletzt gesehen – im Laden, wie üblich.«
»Ja, das stimmt«, antwortete Franklin. »Ich hatte gestern Abend um kurz vor zehn Feierabend, habe den Bus ins Depot gebracht und war dann gegen viertel nach zehn zu Hause. Da hatte Mary gerade den Laden geschlossen, und wir haben es uns dann im Wohnzimmer gemütlich gemacht. Ashley war in ihrem Zimmer und hat gelesen. Du weißt, sie hat dieses elektronische Ding, dieses Lesegerät. Damit ist sie stundenlang wie weggetreten.«
»Lesen ist Lesen«, erwiderte Val Guardo und lächelte. »Ich wollte, meine Jungs wären auch so verrückt danach.« Er räusperte sich. »Und Patty war schon unterwegs, als du nach Hause gekommen bist.«
»Ja. Sie ist mal wieder zusammen mit Jessica losgezogen, wie meistens. Die beiden wollten zu ihren anderen Freundinnen. Haben sie jedenfalls Mary erzählt.«
»Jessica und ihre Eltern wohnen bei euch im Haus, richtig?«
»Ja, ganz oben.«
»Begeistert bist du nicht von ihr, oder?«
Bob wiegte den Kopf. »Sie hat nichts Falsches getan, war immer höflich zu uns und hat sich auch sonst nichts zuschulden kommen lassen. Trotzdem hat sie irgendwas – ich weiß nicht …«
»Etwas, das dir nicht gefällt?«
»Ich bin nicht sicher, aber es wird wohl so sein.«
»Du kannst sie also nicht leiden – jedenfalls nicht wirklich.«
»So krass würde ich das nicht ausdrücken, aber im Ansatz stimmt es, obwohl ich es nicht erklären kann. Mary traut ihr übrigens auch nicht so recht. Vielleicht habe ich mich da auch von Mary beeinflussen lassen.«
»Okay. Das wäre ja alles verständlich. Eine entscheidende Frage: Ist Jessica nach Hause gekommen?«
»Ja«, erwiderte Bob Franklin dumpf. »Das ist ja das Schlimme.« Er atmete tief durch und presste die Lippen zusammen. Dann sagte er: »Versteh mich bloß nicht falsch, Val. An Jessica gibt es nicht das Geringste auszusetzen. Sie ist die beste Freundin, die man sich vorstellen kann – sagt Patty immer. Es gibt absolut nichts, das man ihr vorwerfen könnte. Nicht mal, dass sie letzte Nacht allein nach Hause gekommen ist.«
Als Val die Augenbrauen hob, fuhr Bob rasch fort: »Ja, das stimmt. Mary und ich sind uns da einig. Jessica kann nichts dafür. Es hat nämlich mit ihrem Ex-Freund zu tun. Patty hat sich mit dem Jungen wohl ein bisschen zu intensiv unterhalten, und das stieß Jessica sauer auf. Als sie sagte, dass sie nach Hause wollte, hat Patty noch eins daraufgesetzt und geantwortet, dass sie noch bleiben wollte. Da ist Jessica dann ausgerastet und abgehauen. So hat sie es Mary heute Morgen jedenfalls erzählt.«
»Und nun glaubt ihr Jessica nicht mehr?«
»Doch, schon. Aber sie hat ja nicht mitgekriegt, was eventuell noch passiert ist, nachdem sie weg war. Deshalb bin ich hier, Val. Mary und ich befürchten, dass Patty verschleppt wurde – wenn nicht sogar entführt. Deshalb möchte ich dich und deine Kollegen bitten, sofort etwas zu unternehmen.«
Val Guardo faltete die Hände über den Knien und nickte verständnisvoll. »Normalerweise läuft es folgendermaßen, Bob: Du erstattest Vermisstenanzeige, und wir leiten die erforderlichen Schritte in die Wege. Dann ist es so, dass im Fall von Kidnapping nach vierundzwanzig Stunden das FBI eingeschaltet wird. Das ist Gesetz.«
»Ich weiß.«
»Genau so ist es. Wenn die nächsten Angehörigen einer entführten Person – in diesem Fall also ihr als Eltern – aber wollen, dass das FBI
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