Jerry Cotton - 2911 - Jung schoen und toedlich
Fall für uns werden, brauchten wir sie und ihren Mann auf unserer Seite. Denn dann mussten wir zusammenarbeiten.
***
Wir hatten Robert Franklin im Revier getroffen, nachdem Sergeant Guardo seinen Kollegen Milt Irving angesprochen hatte. Milt hatte Bob zu uns in das Büro geschickt, das wir für die Dauer unserer Ermittlungen im Fall Goran Shames benutzen durften. Das Büro befand sich in der ersten Etage des Reviergebäudes und gehörte zur Mordabteilung.
Bob Franklin war verzweifelt, obwohl er nicht so aussah. Er hatte uns alles geschildert, was er schon Milt Irving erzählt hatte. Ich hatte spontan entschieden, dass wir uns der Sache annehmen würden. Phil war sofort einverstanden gewesen. Obwohl noch keineswegs sicher war, dass es sich im Fall Patricia Franklin auch wirklich um eine Entführung handelte, wollten wir den Kollegen vom 25th Precinct einen Gefallen tun. Außerdem gab es in der Mordsache Shames noch keine neuen Erkenntnisse, sodass wir die Zeit ebenso gut nutzen konnten, um uns anzuhören, was die Familie Franklin uns zu sagen hatte.
»Mary«, sagte ich. »Sie sind überzeugt, dass Patricia entführt wurde. Es gibt bislang aber noch keinen Hinweis, dass das tatsächlich geschehen ist. Oder doch?«
»Haben Sie in ihrem Zimmer etwas gefunden?«, fragte Phil. »Briefe, Notizen, vielleicht eine Tagebuchdatei im Computer?«
»Nein, leider nicht«, antwortete Mary. »Es hat auch niemand angerufen, der Lösegeld verlangt hätte. Trotzdem weiß ich, dass mein Kind entführt wurde. Eine Mutter spürt so etwas. Das ist einfach so. Ich habe es auch Bob erklärt, und er weiß, dass ich nicht etwa den Teufel an die Wand male.«
»Hat sie einen Job?«, erkundigte ich mich.
»Aber ja!« Marys Augen leuchteten auf, ihr Stolz überlagerte die Verzweiflung. »Ich habe sie bei Foodmart an der York Avenue untergebracht, vor einem Jahr. Das ist ein Bürojob. Foodmart ist ein Lebensmittelgroßhändler. Patty fängt da ganz von unten an, aber sie hat ihren Highschool-Abschluss, und sie kann sich hocharbeiten. Sie ist voller Eifer, und sie will etwas schaffen. Das hat mir Mister Lopez, ihr Abteilungsleiter, bestätigt. Ihn habe ich heute Morgen gleich als Ersten angerufen. Es hätte ja sein können, dass Patty von einer Party direkt zur Arbeit gegangen ist. Das ist auch schon mal vorgekommen. Aber diesmal leider nicht. Mister Lopez will mich anrufen, falls sie dort in der Firma doch noch auftauchen sollte. Er ist genau wie ich davon überzeugt, dass mit Patty etwas passiert sein muss. Sie würde an ihrem Arbeitsplatz niemals fehlen, ohne sich zu melden.«
»Solche Situationen sind absolut ernst zu nehmen«, sagte ich.
Mary sah uns einen Moment lang nachdenklich an. Sie spürte offenbar, dass wir noch immer nicht hundertprozentig von ihrer Entführungstheorie überzeugt waren.
»Sie müssen mir einfach glauben«, sagte sie deshalb. »Ich bin nicht hysterisch, und ich erfinde keine Geschichten.«
Ich schüttelte den Kopf und legte ihr die Hand auf die Schulter. »Wir nehmen alles ernst, was Sie sagen, Mary. Deshalb würden wir uns jetzt gern Patricias tägliche Umgebung ansehen – das Haus, ihr Zimmer, ihren Computer.«
Mary nickte dankbar. Sie rief eine Angestellte, die nebenan in einem Lagerraum beschäftigt war, und bat sie, sich vorübergehend um etwaige Kundschaft zu kümmern. Dann bedeutete sie uns, ihr zum Hinterausgang des Ladens zu folgen. Als wir dort ankamen, zuckten wir ungewollt zusammen.
Ein Schrei gellte uns aus dem Treppenhaus entgegen.
***
Der Schrei ging über in wüste Beschimpfungen. Vollständige Sätze konnten wir nicht verstehen, es waren nur Wortfetzen, die wir mitkriegten, zumal die junge Frau, die da keifte, es in einem wüsten Kauderwelsch aus Englisch und Portugiesisch tat. Möglich, dass auch spanische Brocken dabei waren. So genau konnten wir es nicht heraushören. Auf jeden Fall kam das Gezeter aus einem der oberen Stockwerke. Der Nachhall zwischen den Wänden des Treppenhauses ließ das Ganze zu einer fast unerträglichen Lautstärke anschwellen.
Wir sahen uns an. Mary verzog das Gesicht wie unter Schmerzen.
»Tut mir leid«, sagte sie. »Dass Sie das jetzt anhören müssen – tut mir wirklich leid. Das ist Jessica. Sie wissen schon, Pattys Freundin. Sie streitet sich mal wieder mit ihrer Mutter.«
»Elendes Miststück!«, kreischte es von oben. »… reicht … endgültig! … bringe dich um!« Klatschende Laute folgten.
»War das die Mutter?«, fragte ich.
»Nein,
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