Jerry Cotton - 2912 - Blutschwur
ihr stammten?
Phil kam zu mir herüber.
»Das Team von der Spurensicherung ist auf dem Weg hierher, Jerry.«
Ich zeigte ihm meine Entdeckung.
»Sehr gut, Jerry. Die Scientific Research Division wird durch einen DNA-Vergleich schnell feststellen können, ob die Haare von Julie Lonnegan stammen.«
»Ja, das lässt sich nachprüfen. Aber mich macht etwas ganz anderes stutzig.«
»Was denn, Jerry?«
»Wenn das Entführungsopfer wirklich in diesem Auto transportiert wurde – warum saß sie dann auf dem Beifahrersitz? Das ist doch reichlich riskant. Was wollen die Kidnapper machen, wenn sie an einer roten Ampel einfach aus dem Wagen springt und um Hilfe ruft?«
»Vielleicht hatte die Beifahrertür eine Kindersicherung.«
»Ich sehe keine, Phil.«
»Das stimmt. Aber es ist auch denkbar, dass einer der Kerle hinter ihr auf der Rückbank saß und ihr die ganze Zeit seine Waffenmündung gegen den Hals gedrückt hat.«
»Okay, aber warum ist er dann nicht gemeinsam mit Julie Lonnegan hinten eingestiegen? Dort kann er sie doch viel besser kontrollieren. – Wenn ich mit dir zusammen eine Person kidnappen sollte, dann würde ich fahren und dich auf der Rückbank das Opfer bewachen lassen.«
»Aber nicht in deinem Jaguar«, meinte Phil trocken. »Auf den Notsitz passen niemals zwei Personen.«
Wir lachten, wurden aber sofort wieder ernst. Ein Blick in Phils nachdenkliches Gesicht bewies mir, dass auch er meine Überlegungen nicht einfach in den Wind schlug. Wir warteten noch so lange, bis die Spezialisten von der Scientific Research Division eingetroffen waren. Wir konnten ihnen getrost das Feld überlassen. Sie wollten uns umgehend anrufen, sobald sie Neuigkeiten für uns hatten.
Bevor wir das nächste Gespräch führen konnten, mussten wir sehr vorsichtig den Kontakt herstellen. Der Mann, mit dem wir uns austauschen wollten, riskierte rund um die Uhr sein Leben im Dienst des Gesetzes. Das taten wir zwar auch, aber er stand im Ernstfall ohne Dienstwaffe und ohne Rückendeckung durch Kollegen da.
Ich hielt an einem öffentlichen Telefon und warf etwas Kleingeld hinein. Bevor ich zu sprechen begann, aktivierte ich einen Stimmenverzerrer, den ich bei mir hatte. Die Person am anderen Ende der Leitung würde nun die brüchige Stimme eines Mannes im Greisenalter zu hören bekommen.
»Hier spricht Kenneth Archer. Sag meinem Enkel, dass ich ihn vermisse. Aber wenn er mich heute Nachmittag besucht, dann kann ich ihm wieder 50 Dollar von meiner Rente zustecken.«
»Okay, richte ich ihm aus«, erwiderte die junge Frau, wobei sie weiterhin deutlich hörbar Kaugummi kaute.
»Wie bitte?«, hakte ich nach, obwohl ich sie genau verstanden hatte.
»Ich sage es ihm, ich treffe meinen Freund nachher sowieso«, schrie sie ins Telefon und beendete das Gespräch.
»Hat es geklappt?«, fragte Phil, der im Auto geblieben war.
»Ich glaube schon. Cindy schöpft keinen Verdacht, dafür ist sie zu naiv.«
Wir aßen noch schnell einen Hamburger, dann rief ich im Brooklyn Hospital Center an. Der verwundete Marshal Sean Casey war inzwischen bei Bewusstsein und durfte laut der Stationsschwester auch kurz befragt werden. Wir machten uns sofort auf den Weg ins Krankenhaus.
***
Sean Casey saß aufrecht im Bett, sein Kopf war mit einem dicken weißen Verband bandagiert. Das Gesicht des Marshals zeigte einen grimmigen und frustrierten Ausdruck. Ich konnte verstehen, was in ihm vorging. Wahrscheinlich sah er es als seine persönliche Niederlage an, dass die Zeugin gekidnappt worden war. Ehrlich gesagt wäre es mir an seiner Stelle genauso gegangen. Er hatte Julie Lonnegan beschützen sollen, aber sie war trotzdem entführt worden.
Phil und ich nahmen links und rechts vom Bett auf den Besucherstühlen Platz. Casey begrüßte uns mit einem matten Lächeln.
»Hallo, Agents. Ich grübele schon die ganze Zeit darüber nach, was ich Ihnen sagen kann. Aber es ging einfach alles so verflucht schnell. Ich war wachsam, aber ich habe mich leider nur auf die Treppe konzentriert.«
»Woran können Sie sich denn noch erinnern?«, wollte ich wissen.
»Ich hatte vor der Apartmenttür meinen Posten bezogen. Ich wusste ja, dass meine Kollegen Bill Douglas und Dick Middleton um elf Uhr kommen wollten, um die Zeugin in ein sicheres Haus zu bringen. Also war ich in den letzten Stunden vor ihrem Eintreffen buchstäblich auf alles gefasst. Plötzlich wurde die Tür hinter mir geöffnet. Ich dachte, dass Julie Lonnegan mich vielleicht etwas fragen wollte. Aber
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