Jerry Cotton - 2922 - Der lange Arm der Rache
sie: »Er wollte nächste Woche nach Europa reisen, davon hat er schon seit Jahren geträumt. Und jetzt das …«
»Können Sie uns beschreiben, wie Sie Ihren Bruder gefunden haben?«
Sie trocknete ihr Gesicht mit einem Taschentuch. »Wir wollten heute Morgen etwas besorgen gehen und uns hier, in seiner Wohnung, treffen«, fing sie an. »Ich habe geklingelt, aber er hat nicht reagiert. Ich dachte, er wäre vielleicht im Bad oder so. Also bin ich reingegangen, ich habe ja einen Schlüssel für die Wohnung. Da habe ich ihn dann gefunden, auf dem Boden. Erst dachte ich, es wäre einer seiner makabren Scherze. Aber als ich dann all das Blut sah, er nicht auf meine Worte reagierte und ich die Wunde an seinem Kopf gesehen habe, da war mir klar, dass das kein Scherz war. Erst war ich starr vor Schreck. Dann habe ich sofort die Polizei gerufen und vor dem Haus gewartet.«
»Hatte Ihr Bruder irgendwelche Feinde? Gab es jemanden, dem Sie so etwas zutrauen würden?«, fragte Phil.
Sie schaute ihn an. »Nein, sicher nicht. Vielleicht gab es mal etwas Ärger mit einem Kunden, der nicht den vollen Rechnungsbetrag zahlen wollte, aber das war es dann auch. Davon abgesehen war Dennis jemand, den alle gern hatten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das jemand aus seinem Bekanntenkreis war.«
»Auch keine Ex-Freundin, mit der er im Streit auseinandergegangen ist?«, hakte Phil nach.
»Auch das nicht«, antwortete Miss Stratham. »Natürlich hatte Dennis Beziehungen, die nicht funktioniert haben, aber da war nichts dabei, was kürzlich zu Ende gegangen ist, und auch nichts, was heftig war. Aber wer tut so etwas? Ich verstehe es einfach nicht. Wie kann man nur einen Menschen töten?«
»Genau das herauszufinden ist unsere Aufgabe«, sagte ich.
Wir verabschiedeten uns von ihr und verließen die Wohnung. Als wir die Treppe zum Erdgeschoss hinuntergegangen waren, trafen wir Dr. Drakenhart.
»Wir sind gleich mit unseren Untersuchungen fertig«, sagte sie. »An wen schicke ich den Bericht dann, an das NYPD oder FBI?«
»FBI«, antwortete ich. »Wir übernehmen den Fall.«
Ich gab ihr ein paar Hintergrundinformationen zu dem Fall, an dem wir gerade arbeiteten.
»Ah, so ist das«, sagte sie anschließend. »Dann bleibt zu hoffen, dass der Täter in der Zwischenzeit nicht noch einmal zugeschlagen hat.«
***
Nachdem wir unsere Arbeit am Tatort beendet hatten, was die ergebnislose Befragung von Nachbarn mit einschloss, erstatteten wir Mr High Bericht und fuhren nach Rikers Island. In einem der vielen Gefängnisse auf dieser kleinen Insel befand sich Ronaldo Quantiniano und saß seine Strafe ab.
Die »Familie«, wie die Quantinianos in einschlägigen Kreisen auch genannt wurden, verdiente Geld mit Drogenhandel und Prostitution.
»Ich habe gerade Ronaldo Quantinianos Akte vor mir«, sagte Phil. »Sein Leben liest sich wie ein Strafgesetzbuch. Leider konnte man ihm lange Jahre nichts Konkretes nachweisen. Er war geschickt genug, über viele Mittelsmänner zu agieren, sodass man ihn nicht belangen konnte – bis er anfing Fehler zu begehen.«
»Am Ende stürzen sie fast alle, die großen Gangster«, sagte ich.
»In Rikers Island ist Ronaldo Quantiniano auf jeden Fall gut aufgehoben«, meinte Phil. »Wäre nur besser gewesen, wenn sein Bruder auch dort gelandet wäre.«
Wir erreichten den Gefängniskomplex, in dem sich das ehemalige Oberhaupt der Familie aufhielt, und passierten verschiedene Kontrollen, um zu ihm zu gelangen. Letztlich wurden wir allerdings nicht zu einem Besucherzimmer, sondern zum Gefängnisdirektor gebracht.
»Guten Tag, meine Herren, Sie möchten zu Mister Quantiniano?«, fragte der nach einer kurzen und eher kühlen Begrüßung.
»Ja, wir wollen ihm ein paar Fragen bezüglich einer Mordserie stellen, in der wir gerade ermitteln«, antwortete ich. »Gibt es diesbezüglich ein Problem?«
»Möglicherweise«, antwortete der Direktor und beugte sich vor, wobei er die Ellenbogen auf seinen Schreibtisch stützte. »Ronaldo Quantiniano ist einer der wichtigsten Häftlinge dieser Einrichtung, deshalb werde ich immer sofort informiert, wenn etwas geschieht, das ihn betrifft. Aber das ist nur einer der Gründe, warum Sie erst zu mir gebracht wurden. Der andere ist der bedenkliche Gesundheitszustand von Mister Quantiniano. Ich weiß nicht, ob er aktuell ansprechbar ist.«
»Wie bitte? Wollen Sie uns etwa nicht zu ihm lassen?«, brauste Phil auf.
»Nein, nein, das ist es nicht«, erwiderte der Direktor und nahm eine
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