Jerry Cotton - Folge 2942: Das letzte Level ist der Tod (German Edition)
besonders engagiert?«, wollte Phil wissen.
»Hu Dong war fleißig«, antwortete Shi Quiang, und in seiner Stimme mischten sich Stolz und Schmerz. »Sein Tag hatte 25 Stunden. Er war in allen Geschäftsbereichen aktiv. In einigen Jahren sollte er die Firma übernehmen. Ich wollte mich zurückziehen und zurück in meine Heimat China gehen.«
Er presste die Lippen aufeinander. »Dazu wird es jetzt nicht mehr kommen.«
Ich tauschte einen kurzen Blick mit Phil.
»Was ist mit Ciprian Petrescu? Da soll es zuletzt ein paar Unstimmigkeiten gegeben haben. Ist es denkbar, dass er sich auf diese Weise an Ihnen rächen wollte?«
Zum ersten Mal zeigte Shi Quiang den Anflug einer Regung. Er lächelte. Aber dieses Lächeln war nicht freundlich. Es strotzte vor Verachtung.
»Er ist eine dreckige, kleine Laus. Wenn er Ärger macht, zerdrücke ich ihn zwischen meinen Fingern.«
Anscheinend war Shi Quiang ein Freund offener Worte.
Die Frage war, ob der Capitan sich so etwas gefallen ließ. Bei seinem Ego war die Wahrscheinlichkeit dafür nicht besonders groß.
»Wir werden Sie im Auge behalten, Shi Quiang«, sagte ich ernst und sah meinem Gesprächspartner scharf in die Augen. »Das Letzte, was wir im Moment in dieser Stadt gebrauchen können, ist ein neuer Bandenkrieg. Der letzte war blutig genug. Haben Sie mich verstanden?«
Statt zu antworten, strich Shi Quiang leicht mit der Hand über eine kaum sichtbare Markierung an der Scheibe des Aquariums. Hinter uns glitten die beiden Flügel der Bambustür auseinander und gaben den Blick auf die Gasse frei.
Dann holte er aus einer verborgenen Tasche seines Umhangs ein silbernes Zigarettenetui, entnahm ihm eine Zigarette und zündete sie mit einem goldenen Feuerzeug an. Er nahm einen tiefen Zug und stieß den Rauch so kunstvoll aus, dass er sein Gesicht verhüllte wie eine kleine Wolke.
»Wer in das Feuer bläst, dem fliegen leicht die Funken in die Augen«, ließ Shi Quiang sich aus der Wolke heraus vernehmen.
Ich hatte das unangenehme Gefühl, dass er genau wusste, wem dieses Schicksal in Kürze bevorstand.
***
Zum Glück hatte unser aufmerksamer Führer auf uns gewartet und brachte uns wohlbehalten in das kleine Ladenlokal an der Baxter Street zurück. Als wir auf den Bürgersteig traten, traf uns die Hitze wie ein Keulenschlag. Es war inzwischen Mittag geworden, und die Quecksilbersäule näherte sich unaufhaltsam der 35-Grad-Marke.
Ich schob den Regler der Klimaanlage bis zum Anschlag hoch und steuerte den Jaguar Richtung Greenpoint. Ciprian Petrescu hatte sein Domizil in der Nassau Avenue aufgeschlagen, in unmittelbarer Nähe des McCarren Park. Nicht unbedingt die beste Wohnlage, aber wer in den Karpaten aufgewachsen war wie der Capitan , der stellte vermutlich auch nicht die allerhöchsten Ansprüche.
»Dein Eindruck?«
Wir hatten schon fast die Williamsburg Bridge erreicht, als ich Phil die Frage stellte. Die hohen Temperaturen verführten nicht gerade zu ausschweifenden Unterhaltungen.
»Du meinst den Chinesen? Verdammt cooler Hund. So jemanden wünscht man sich nicht zum Feind.«
»Wer Hu Dong umgebracht hat, ist entweder größenwahnsinnig oder lebensmüde«, stellte ich fest.
»Oder beides«, ergänzte Phil.
»Er hält sich entweder für den Größten, dem niemand etwas anhaben kann. Oder er hat keine Ahnung, mit wem er sich da angelegt hat.«
Phil nahm einen Schluck aus der Wasserflasche.
»Jedenfalls ist sein Leben keinen Pfifferling mehr wert. Shi Quiang wird nicht eher Ruhe geben, bis der Mord an seinem Sohn gerächt ist.«
Ich nickte zustimmend. Er hatte zwar keinerlei Gefühlsregung gezeigt, obwohl er erst kurz vor unserem Besuch vom Tod seines Ältesten erfahren hatte. Aber das entsprach der chinesischen Kultur. Fremden gegenüber ließ man sich nicht anmerken, wie man sich fühlte.
»Traust du dem Capitan so eine Wahnsinnstat zu?«, wollte ich wissen.
Phil antwortete nicht sofort. Schließlich schüttelte er den Kopf.
»Ehrlich gesagt – nein. Nach allem, was wir über ihn wissen, ist er zwar ein Hitzkopf, der sich schon mal aus einer Laune heraus zu einer Dummheit hinreißen lässt. Andererseits hätte er es niemals in seine Position geschafft, wenn er nicht auch ein kühl kalkulierender Stratege wäre, der seine Emotionen unter Kontrolle hat.«
»Lassen wir uns überraschen, wer von den beiden das Kommando hat«, schlug ich vor, »der Hitzkopf oder der Stratege.«
Die Nassau Avenue war eine Straße, wie es viele gibt in Brooklyn. Drei-
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