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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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den Tempelberg von Westen über den Wilson-Bogen und das heutige Kettentor erreichen konnten. Als Zugang von Süden schufen sie das überkuppelte Zweiertor, das es in Baustil und Schönheit mit dem Goldenen Tor aufnehmen konnte. [116]
    Für Jerusalem war es eine vor Leben strotzende Zeit. Innerhalb weniger Jahre verwandelten die Kalifen den Tempelberg in ein islamisches Heiligtum und Jerusalem in eine omaijadische Herrscherstadt, was wieder einmal die ansteckende Konkurrenz um heilige Stätten und Geschichten schürte, die Jerusalem noch heute prägt. Die Christen hatten sich viele jüdische Mythen angeeignet und nach und nach in ihr Hauptheiligtum, die Grabeskirche, verlegt. Der Bau des Felsendoms und der al-Aqsa-Moschee belebte nun die alten Mythen neu: Ein Fußabdruck auf dem Felsen des Tempelbergs, den man christlichen Pilgern als Abdruck Jesu gezeigt hatte, wurde nun zum Fußabdruck Mohammeds. Die Omaijaden überzogen den Tempelberg mit neuen Kuppeln, die alle mit biblischen Überlieferungen von Adam und Abraham über David und Salomo bis hin zu Jesus zusammenhingen. Ihr Szenario für den Jüngsten Tag, an dem die Kaaba nach Jerusalem kommen würde, fand auf dem Tempelberg statt. [117] Diese Tendenz beschränkte sich aber nicht auf den Tempelberg: Muslime verehrten alles, was mit David zusammenhing, und sahen nun in der Zitadelle, die bei den Christen Davidsturm hieß, Davids Mihrab (Gebetsnische): Sie waren nicht die Letzten, die Herodes’ Größe mit der Davids verwechselten. Aber die Omaijaden bauten nicht nur für Gott, sondern auch für sich selbst.
    Diese Kalifen waren kultiviert und genussfreudig: Das arabische Reich befand sich in seiner Hochblüte – selbst Spanien gehörte ihnen mittlerweile –, und obwohl Damaskus ihre Hauptstadt war, verbrachten sie viel Zeit in Jerusalem. Unmittelbar südlich vom Tempelberg bauten Walid I. und sein Sohn eine Palastanlage, die erst Ende der 1960er Jahre bei Ausgrabungen wiederentdeckt wurde: Drei- bis vierstöckige Paläste gruppierten sich um kühle Innenhöfe, und über eine Brücke gelangten die Kalifen von einer Dachterrasse direkt durch einen eigenen Eingang in die al-Aqsa-Moschee. Die Überreste verraten kaum mehr als die Größe der Anlage, aber ihre erhaltenen Wüstenpaläste lassen ahnen, wie opulent sie dort gelebt haben dürften. [80]
    Der luxuriöseste Wüstenpalast oder qasr , ist in Amra im heutigen Jordanien erhalten geblieben; dort entspannten sich die Kalifen in Privatgemächern und Bädern mit Mosaikböden und Fresken, die Jagdszenen, Akte oder Halbakte von Frauen, Athleten, Cupidos, Satyren und einen Laute spielenden Bären zeigten. Das farbenfrohe Sechs-Königs-Fresko zeigt Walid I. mit Monarchen wie den Kaisern von Konstantinopel und China, die von den Omaijaden besiegt wurden. Diese dekadenten hellenistischen Gemälde wirken ausgesprochen unislamisch, aber vielleicht führten die Herrscher ebenso wie die Herodier in der Öffentlichkeit ein völlig anderes Leben. Walid I. beendete in Damaskus die gemeinsame Kirchennutzung mit den Christen und baute dort die prunkvolle Omaijadenmoschee. Als Amtssprache löste Arabisch das Griechische ab. Jerusalem blieb jedoch überwiegend christlich. Muslime und Christen pflegten ungehinderten Umgang miteinander und feierten im September das Einweihungsfest der Grabeskirche, das »große Scharen nach Jerusalem« lockte und die Straßen mit »Kamelen, Pferden, Eseln und Ochsen« füllte. Christliche Pilger, nun überwiegend aus Armenien und Georgien, nicht mehr aus Byzanz, achteten kaum auf die muslimischen Stätten, während Juden die Christen selten erwähnten. Seither waren die Besucher der Stadt meist Pilger mit Scheuklappen, die kaum mehr als ihre eigene Religion wahrnahmen.
    Walids Bruder Suleiman wurde 715 auf dem Tempelberg als Kalif bejubelt: »Nie hatte man erlebt, dass solcher Reichtum den neuen Kalifen begrüßte. Er saß unter einer der Kuppeln, die den Platz zieren, und hielt Audienz« auf einem Meer aus Teppichen und Kissen, um sich seine Schätze aufgetürmt, um seine Soldaten zu bezahlen. Suleiman, der den letzten arabischen Großangriff auf Konstantinopel unternahm (und die Stadt beinahe eroberte), »hatte vor, in Jerusalem zu leben, es zu seiner Hauptstadt zu machen und großen Wohlstand und eine beträchtliche Bevölkerung zusammenzubringen«. Er gründete die Stadt Ramla als Verwaltungszentrum, starb jedoch, bevor er nach Jerusalem ziehen konnte.
    Juden, die großenteils aus dem Iran und

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