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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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trugen die Ritter Leinengewänder und eine arabische Kefije über ihrer Rüstung, damit der Stahl sich in der Sonne nicht so aufheizte. Zu Hause kleideten die Ritter sich wie die Einheimischen in Seidenburnus und sogar Turban. Damen trugen in Jerusalem lange Unterkleider mit einer kurzen Tunika oder einem langen Oberkleid, die bestickt und mit Gold durchwirkt waren. Ihre Gesichter waren stark geschminkt und in der Öffentlichkeit meist verschleiert. Im Winter trugen Männer und Frauen Pelze, allerdings war dieser Luxus den asketischen Templern ausdrücklich verboten, die diese Hauptstadt des christlichen heiligen Krieges verkörperten. Die Ritterorden gaben den Ton an: die Templer in ihren Kutten mit Gürtel, Kapuze und rotem Kreuz, die Hospitaliter in ihren schwarzen Kutten mit weißem Kreuz auf der Brust. Jeden Tag ritten die 300 Tempelritter aus den Ställen Salomos, um außerhalb der Stadt zu trainieren. Im Kidrontal übte sich die Infanterie im Bogenschießen.
    In der Stadt wimmelte es nicht nur von französischen, norwegischen, deutschen und italienischen Soldaten, sondern auch von Ostchristen – kurzbärtigen Syrern und Griechen, Armeniern und Georgiern mit langen Bärten und hohen Hüten, die in den Schlafsälen der Herbergen oder in den vielen kleinen Gasthäusern übernachteten. Das öffentliche Leben fand überwiegend auf dem römischen Cardo statt, der vom Stephanstor (heute Damaskustor) links an der Grabeskirche und der Patriarchenresidenz vorbei in den überdachten Markt mit seinen drei Parallelstraßen und unzähligen Quergassen führte, wo es nach Gewürzen und Essen roch. Pilger versorgten sich auf der Malcuisinat, der Straße der schlechten Küche, mit zubereiteten Speisen und eiskalten Fruchtsäften, dem Scherbet, tauschten auf der syrischen Geldwechslerstraße in der Nähe der Grabeskirche Geld, kauften Schmuck bei den lateinischen Goldschmieden und Pelze auf der Gerberstraße.
    Schon vor den Kreuzfahrern hieß es: »Keine Reisenden sind so schlimm wie die Jerusalempilger.« Outremer war die mittelalterliche Version des Wilden Westens: Mörder, Abenteurer und Huren kamen hierher, um ein Vermögen zu machen. Auch wenn die Chronisten kaum über Jerusalems Nachtleben berichteten, brauchten die örtlichen Soldaten gemischter Herkunft, die Turkopolen, die armen, orientalisierten Lateiner der zweiten Generation, die man poulains nannte, die Kaufleute aus Venedig und Genua und die frisch eingetroffenen Ritter Tavernen und Vergnügungen, die es in jeder Garnisonsstadt gab. Jede Taverne hatte quer vor dem Eingang eine klirrende Kette, die lärmende Ritter hinderte, in den Schankraum zu reiten. Soldaten konnten in den Eingängen der Läden würfeln und anderen Glücksspielen nachgehen. Für die Soldaten von Outremer brachte man europäische Dirnen ins Land. Später beschrieb der Sekretär Sultan Saladins begeistert eine Schiffsladung solcher Frauen aus muslimischer Sicht:
Mit einem Schiff kamen dreihundert schöne fränkische Frauen …, fest im Fleisch und sündig, Sängerinnen und kokett, öffentlich auftretend und anmaßend, feurig und entbrannt, gefärbt und bemalt, … trunkene junge Mädchen, die nach Liebe verlangten und sich verkauften, unternehmend und glühend … Eine jede zog die Schleppe ihre Kleides nach und bezauberte in ihrer Jugendliebe jeden … und sie öffneten ihre Pforten der Genüsse, weihten als Opfer, was sie zwischen den Schenkeln hatten, ließen der Zügellosigkeit freien Lauf, wandten sich zur Ruhe, entfernten alles, was sie hinderte, sich zu verschenken.
    Die meisten blieben in den Häfen von Akko und Tyrus, wo es auf den Straßen von italienischen Seeleuten wimmelte, während Jerusalem vermutlich von Ordnungshütern bewacht wurde, die auf christliche Moral bedacht waren; dennoch gab es dort Menschen aller Art.
    Wenn Pilger krank wurden, pflegten die Hospitaliter sie in ihrem Hospital, das Platz für 2000 Patienten hatte. Erstaunlicherweise nahmen sie auch Muslime und Juden auf und unterhielten sogar eine koschere und halal -Küche, die ihnen Fleisch bieten konnte. Dennoch hatte man ständig den Tod vor Augen: Jerusalem war eine Nekropole, in der alte und kranke Pilger zufrieden starben und sich beerdigen ließen, um auf die Auferstehung zu warten. Für Arme gab es kostenlose Massengräber auf dem Marmilla-Friedhof und auf dem Akeldama im Höllental. Während einer Epidemie starben später in jenem Jahrhundert täglich fünfzig Pilger, und jeden Abend nach der Vesper sammelten

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