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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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König Heinrich VI.,3. Teil, 5. Aufzug, 5 Szene
… wenn wir die Propheten, Psalmen, Evangelisten etc. mit Fleiß läsen, da würden wir nicht durch der Heiligen Städte, sondern durch unser Gedanken und Herz zu Gott spaziren, das ist, das rechte gelobte Land und Paradeis des ewigen Lebens besuchen.
Martin Luther, Tischreden, Gesamtausgabe (1912–1921), Bd. III.435
Wir werden feststellen, dass der Gott Israels unter uns ist, … denn wir müssen bedenken, dass wir sein werden wie eine Stadt auf einem Hügel und dass sich aller Augen auf uns richten.
John Winthrop, A Modell of Christian Charity

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    Die Pracht Süleymans
    1517 – 1550
    Der zweite Salomo und seine Roxelana
    Am 24. August 1516 schlug der osmanische Sultan Selim der Gestrenge die Mameluckenarmee unweit von Aleppo vernichtend in einer Schlacht, die über Jerusalems Schicksal entschied: Der größte Teil des Nahen und Mittleren Ostens blieb über die folgenden vierhundert Jahre hinweg osmanisch. Am 20. März 1517 traf Selim in Jerusalem ein, um die Stadt in Besitz zu nehmen. Die Ulema übergab ihm die Schlüssel der al-Aqsa-Moschee und des Felsendoms, wo er sich niederwarf und ausrief: »Ich bin Besitzer der ersten Qibla.« Selim bestätigte die traditionelle Toleranz gegenüber Christen und Juden und betete auf dem Tempelberg. Dann zog er weiter, um Ägypten zu unterwerfen. Er hatte Persien erobert, die Mamelucken besiegt und etwaige Thronfolgestreitigkeiten ausgeräumt, indem er seine Brüder, Neffen und vermutlich auch einige seiner Söhne getötet hatte. Als er im September 1520 starb, lebte nur noch einer seiner Söhne. [128]
    Süleyman war »erst 25 Jahre alt, groß und schlank, aber zäh mit schmalem, hagerem Gesicht« und wurde nun Herrscher über ein Reich, das sich vom Balkan bis an die Grenzen Persiens, von Ägypten bis ans Schwarze Meer erstreckte. »In Bagdad bin ich der Schah, auf byzantinischem Gebiet der Cäsar und in Ägypten der Sultan«, erklärte er, und fügte diesen Titeln noch den des Kalifen hinzu. Kein Wunder, dass die osmanischen Höflinge ihren Monarchen als Padischah – Kaiser – bezeichneten und als »den höchst verehrten und geachteten Herrscher der ganzen Welt« sahen, wie einer von ihnen schrieb. Angeblich träumte Süleyman einmal, dass der Prophet ihn besuchte und ihm sagte, er müsse das Heiligtum (den Tempelberg) verschönern und Jerusalem wiederaufbauen, »um die Ungläubigen abzuwehren«, aber eigentlich bedurfte er dazu keiner besonderen Aufforderung. Ihm war nur zu bewusst, dass er der oberste islamische Herrscher und der »Salomo seiner Epoche« war, wie seine Sklavenfrau Roxelana ihn wiederholt nannte.
    Roxelana unterstütze Süleyman in seinen Projekten – was auch Jerusalem einschloss. Vermutlich war sie die Tochter eines Priesters, wurde aus Polen entführt und in den Sultansharem verkauft, wo sie Süleymans Aufmerksamkeit erregte. Sie gebar ihm fünf Söhne und Töchter, war »jung, aber nicht schön, wenngleich anmutig und zierlich« und hatte, nach einem zeitgenössischen Porträt zu urteilen, große Augen, rosige Lippen und ein rundliches Gesicht. Ihre Briefe, die sie Süleyman auf seinen Feldzügen schrieb, vermitteln einen Eindruck von ihrem verspielten, aber unbezähmbaren Wesen: »Mein Sultan, die brennende Qual der Trennung ist grenzenlos. Schont nun diese Elende und enthaltet ihr nicht länger Eure edlen Briefe vor. Wenn Eure Briefe vorgelesen werden, weinen und jammern Euer Diener und Sohn Mir Mehmed und Eure Sklavin und Tochter Mihrimah vor Sehnsucht nach Euch. Ihr Weinen treibt mich in den Wahnsinn.« Süleyman nannte sie Hurrem al-Sultan, die Freude des Sultans, und besang sie in Gedichten, die ihm zugeschrieben werden, als »meine Liebe, mein Mondenschein, mein Frühling, meine Schönhaarige, meine Liebe mit den schrägen Augenbrauen, meine Liebe mit dem schelmischen Blick«; offiziell nannte er sie »die Königin der Königinnen, das Augenlicht des prachtvollen Kalifats«. Sie entwickelte sich zu einer gewieften Politikerin und sorgte mit erfolgreichen Intrigen dafür, dass Süleymans Sohn mit einer anderen Frau nicht seine Nachfolge antreten konnte: Er wurde vor Süleymans Augen stranguliert.
    Süleyman erbte Jerusalem und Mekka und war überzeugt, dass er es seinem islamischen Prestige schuldig sei, die Heiligtümer des Islam zu verschönern. Bei ihm war alles groß dimensioniert: sein grenzenloser Ehrgeiz, seine annähernd ein halbes Jahrhundert währende Regierungszeit, sein weiter

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