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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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genannten Leibwächtern in scharlachroter Uniform, die ihre Säbel schwenkten und mit schweren goldenen Standarten auf das Pflaster schlugen, um den Weg freizumachen, stolzierten die Konsuln durch die Straßen und ließen die in Bedrängnis geratenen osmanischen Gouverneure unter jedem beliebigen Vorwand nach ihrer Pfeife tanzen. Osmanische Soldaten mussten sich sogar in Anwesenheit der Kinder der Konsuln erheben. Besonders hochmütig war das Benehmen der Konsuln aus Österreich und Sardinien, weil ihre Monarchen den Titel eines Königs von Jerusalem trugen. Aber keiner konnte es an Arroganz und Eitelkeit mit den britischen und den französischen Konsuln aufnehmen.
    Vizekonsul Young wurde 1845 von James Finn abgelöst, einem frömmelnden Wichtigtuer, der 20 Jahre lang fast ebenso viel Macht innehaben sollte wie die osmanischen Gouverneure, der aber von den englischen Lords über die osmanischen Paschas bis zu seinen ausländischen Kollegen im diplomatischen Dienst alle und jeden vor den Kopf stieß. Ungeachtet aller Anweisungen aus London bot er den russischen Juden weiterhin britischen Schutz an, hörte aber nie auf, sie missionieren zu wollen. Als die Osmanen Ausländern offiziell erlaubten, Grund und Boden zu erwerben, kaufte und bestellte Finn ein Stück Land am Rande des Talbieh-Viertels und ein zweites im Kerem-Avraham-Viertel. Finanzielle Hilfe für sein Unternehmen fand er bei einer gewissen Miss Cook aus Cheltenham, tatkräftige Hilfe bei einer Gruppe evangelikaler englischer Ladys, die entschlossen waren, Juden zu bekehren, indem sie ihnen die Freuden ehrlicher Arbeit näherbrachten.
    Finn, der mit verdächtig großen Summen Geldes Land und Häuser aufkaufte, sah sich selbst als eine Mischung aus kolonialherrschaftlichem Prokonsul, gottgesandtem Missionar und Großgrundbesitzer. Er und seine Frau, ebenfalls eine glühende Anhängerin des Evangelikalismus, lernten Hebräisch und das in der Gegend verbreitete Ladino der sephardischen Juden. Einerseits setzten sie sich entschlossen für die Juden ein, die in Jerusalem grausam unterdrückt wurden, andererseits provozierte er mit seinen aggressiven Missionierungsversuchen aber auch deren Widerstand. Einmal verursachte er ein Chaos, als er einen jüdischen Jungen namens Mendel Digness bekehrte, woraufhin »die Juden die Terrassen heraufkletterten und mächtig Krach schlugen«. Finn bezeichnete die Rabbis als »Fanatiker«, doch als der mächtige Montefiore in Großbritannien erfuhr, dass die Juden schikaniert wurden, schickte er einen jüdischen Arzt und Apotheker nach Jerusalem, um der Judengesellschaft einen Strich durch die Rechnung zu machen, was diese damit beantwortete, dass sie ihrerseits am Rande des jüdischen Viertels ein Krankenhaus einrichtete.
    1847 wurde ein jüdischer Jugendlicher von einem christlichen Araberjungen angegriffen und warf daraufhin einen Stein nach ihm, der den Jungen am Fuß traf. Die Griechisch-Orthodoxen, seit jeher die antisemitischste Gemeinde in Jerusalem, warfen, vom muslimischen Mufti und vom Kadi bestärkt, den Juden vor, sich Blut von Christen zu beschaffen, um damit ihr Passahbrot zu backen: Die Blutanklage war in Jerusalem angekommen, doch der Beschluss, den der Sultan auf Montefiores Bitte hin nach den Ereignissen in Damaskus erlassen hatte, zeigte seine Wirkung. [147]
    Unterdessen hatte sich zur Schar der Konsuln die wohl außergewöhnlichste Figur in der Geschichte der amerikanischen Diplomatie hinzugesellt. »Ich glaube nicht«, bemerkte William Thackeray, der Autor von Jahrmarkt der Eitelkeiten , während seines Besuchs in Jerusalem, »daß irgendeine Regierung einen so seltsamen Gesandten empfangen oder beglaubigt hat.«
    Warder Cresson, US -Konsul Der Heilige Fremde aus Amerika
    Am 4. Oktober 1844 traf Warder Cresson als erster Generalkonsul für Syrien und Palästina in Jerusalem ein – qualifiziert für sein Amt lediglich durch die feste Überzeugung, dass die Wiederkehr Christi im Jahr 1847 stattfinden würde. Cresson trieb das arrogante Verhalten der Konsuln auf eine neue Spitze: Er pflegte in einer Staubwolke durch Jerusalem zu galoppieren, begleitet von »einer kleinen amerikanischen Armee«, die einer der historischen Romanzen von Walter Scott entsprungen zu sein schien – ein Trupp bewaffneter Reiter, angeführt von einem Araber und zwei Janitscharen mit silbernen Standarten, die in der Sonne blitzten.
    Während seiner ersten Unterredung mit dem Pascha ließ er diesen wissen, dass er gekommen sei, um den

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