Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
bereitzustellen. Und Jehuda Hai Alchelai, ein sephardischer Rabbi aus Sarajevo, äußerte nach den Blutanklagen von Damaskus Überlegungen, wonach die in der islamischen Welt lebenden Juden Anführer wählen und in Palästina Land ankaufen sollten. Moses Hess, ein Mitstreiter von Karl Marx, der den rassistisch begründeten Antisemitismus vorausgesagt hatte, veröffentlichte 1862 das Buch Rom und Jerusalem , in dem er die Vision einer sozialistischen jüdischen Gesellschaft in Palästina entwarf. Entscheidend waren letztendlich die russischen Pogrome.
»Wir müssen wieder eine lebendige Nation gründen«, schrieb der Arzt und Journalist Leon Pinsker aus Odessa 1882 in seinem Pamphlet Autoemanzipation . Er rief eine Bewegung ins Leben, die sich Covevei Zion, »Zionsliebe«, nannte und sich das Ziel gesetzt hatte, landwirtschaftliche Siedlungen in Palästina zu gründen. Auch wenn viele dieser Siedlungen weltlich ausgerichtet waren, erklärte Chaim Weizmann »unser Judentum und unseren Zionismus für austauschbar«. Im Jahr 1878 wurde die erste jüdische Bauernsiedlung Petach Tikwa, »Tor der Hoffnung«, gegründet, aber zu dieser Zeit fingen sogar die Rothschilds in der Person des französischen Barons Edmond an, Geld für den Bau ländlicher Siedlungen wie beispielsweise Rischon LeZion (Erster für Zion) für russische Einwanderer zur Verfügung zu stellen. Insgesamt belief sich die Summe, die der Baron für diesen Zweck aufbrachte, auf stolze 6,6 Millionen britische Pfund. Wie Montefiore bemühte sich auch Edmond de Rothschild, die Klagemauer zu kaufen. Der Mufti Mustafa al-Husseini stimmte dem Geschäft 1887 zu, aber am Ende kam es dann doch nicht zustande. Als Rothschild zehn Jahre später einen zweiten Versuch unternahm, verhinderte Scheich al-Haram aus der Husseini-Familie den Verkauf.
1883, lange bevor Herzls Buch veröffentlicht wurde, strömten in der ersten Aliya 20 000 jüdische Einwanderer nach Palästina. Die meisten von ihnen, aber nicht alle, kamen aus Russland. In den 1870er Jahren zog es auch persische, in den 1880er Jahren jemenitische Juden nach Jerusalem. Gewöhnlich lebten sie in ihren eigenen Gemeinden zusammen: Juden aus Buchara beispielsweise, einschließlich der Juweliersfamilie Moussaieff, die schon die Diamanten für Dschingis Khan geschliffen hatten, bauten ein eigenes, nach einem strengen Gitterraster angelegtes Viertel, das mit seinen neugotischen, historisierenden, manchmal maurischen Villen einer zentralasiatischen Stadt nachempfunden war. [219]
Nach dem ersten Zionistenkongress in Basel im August 1897 notierte Herzl, der den Vorsitz geführt hatte, stolz in seinem Tagebuch: »L’état c’est moi. In Basel habe ich den Judenstaat gegründet. Wenn ich das heute laut sagte, würde mir ein universelles Gelächter antworten. Vielleicht in 5 Jahren, jedenfalls in 50 wird es jeder einsehen.« Und er sollte recht behalten. Herzl repräsentierte einen neuen Typus von politischem Lobbyismus, als er anfing, auf den neu gebauten Eisenbahnstrecken durch ganz Europa zu reisen, um Könige, Minister und Pressezaren von seinem Anliegen zu überzeugen. Ohne Rücksicht auf ein sich verschlimmerndes Herzleiden, das ihn jederzeit hätte umbringen können, verfolgte er seine Ziele mit unermüdlicher Energie und Zähigkeit.
Der Zionismus, an den Herzl glaubte, war keine von Siedlern getragene Massenbewegung, sondern sie wurde von Kaisern protegiert und von Plutokraten finanziert. Die Rothschilds und Montefiore hatten anfangs für Herzls Zionismus nicht viel übrig, dennoch wurden die ersten Zionistenkongresse durch die Anwesenheit des Neffen von Moses Montefiore, Sir Francis Montefiore, geadelt, der »ein netter alter englischer Gentleman« war und »bei allen Kongressen weiße Handschuhe trug – und das in der Hitze eines Schweizer Sommers! – weil er so vielen Leuten die Hand geben musste«. Doch Herzl suchte nach einem Machthaber, der die notwendigen Verhandlungen mit dem Sultan übernehmen konnte. Da er beschlossen hatte, dass man in seinem Judenstaat deutsch sprechen würde, fiel seine Wahl folgerichtig auf den Inbegriff eines modernen Monarchen, den deutschen Kaiser.
Wilhelm II. plante zu dieser Zeit eine Reise in den Orient, die mit Gesprächen mit dem Sultan beginnen und dann nach Jerusalem weiterführen sollte, wo er der Einweihung einer neuen Kirche auf dem der Grabeskirche benachbarten Grund und Boden beiwohnen wollte, der seinem Vater, Kaiser Friedrich III., übereignet worden war. Doch
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