Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
erklärte der Duce, »sollen sie Tel Aviv in Amerika aufbauen. Wir haben hier in Italien 45 000 Juden, und es wird kein Platz sein für sie in Europa.« Der Mufti – »sehr zufrieden mit dem Treffen« – flog nach Berlin.
Am 28. November um 16 Uhr 30 wurde der Mufti von einem gereizten Adolf Hitler empfangen: Die Sowjets hatten den Vormarsch der deutschen Truppen vor Moskau zum Stillstand gebracht. Der Dolmetscher des Muftis schlug vor, man solle, entsprechend der arabischen Sitten, Kaffee servieren. Hitler entgegnete barsch, er trinke keinen Kaffee. Der Mufti erkundigte sich, ob es ein Problem gebe. Der Dolmetscher beschwichtigte den Mufti und erklärte Hitler, sein Gast erwarte aber doch Kaffee. Dieser erwiderte, dass nicht einmal das Oberkommando in seiner Gegenwart Kaffee trinken dürfe. Anschließend verließ er den Raum und kehrte kurze Zeit später in Begleitung eines SS-Mannes zurück, der Limonade brachte.
Husseini bat Hitler um Unterstützung für die »Unabhängigkeit eines vereinigten Staates von Palästina, Syrien und dem Irak« und den Aufbau einer arabischen Legion, die auf der Seite der Wehrmacht kämpfen sollte. In diesem Gespräch mit dem Mann, der in seinen Augen der Herr der Welt war, pokerte der Mufti nicht nur um Palästina, sondern um ein arabisches Reich unter seiner Führung.
Im Mufti hatte Hitler einen verlässlichen Verbündeten gegen die gemeinsamen Feinde: »Deutschland stand im Kampf auf Leben und Tod mit zwei Hochburgen jüdischer Macht – England und der Sowjetunion« – und natürlich würde es keinen jüdischen Staat in Palästina geben, meinte Hitler mit Hinweis auf die geplante »Endlösung«. »Deutschland war entschlossen, eine europäische Nation nach der anderen aufzufordern, die Judenfrage in ihrem Land zu lösen.« Sobald die »deutschen Truppen die südliche Grenze Kaukasiens erreicht haben«, erklärte Hitler, »wird Deutschland alles daransetzen, das jüdische Element in der arabischen Welt zu vernichten«.
Bis Russland und Großbritannien besiegt waren, musste sich der Mufti mit seinen Herrschaftsansprüchen auf den gesamten Nahen Osten allerdings noch etwas gedulden. Hitler machte ihm klar, dass er »rational und mit kühlem Kopf denken und handeln« müsse, um die verbündete Vichy-Regierung nicht zu verprellen. »Wir haben uns Ihretwegen Gedanken gemacht«, versicherte er dem Mufti. »Ich kennen Ihre Lebensgeschichte. Ich habe Ihre lange und gefährliche Reise mit Interesse verfolgt. Ich bin froh, dass Sie jetzt bei uns sind.« Und dann erging er sich in Bewunderung für die blauen Augen und die rötlichen Haare Husseinis, die er als untrügliches Zeichen für das arische Blut seines arabischen Gastes deutete.
Der Mufti teilte nicht nur Hitlers strategische Feindseligkeit gegen die Briten, sondern auch dessen rassisch bedingten Antisemitismus. Jahre später schrieb er in seinen Memoiren, Reichsführer-SS Heinrich Himmler, den er außerordentlich schätzte, habe ihm im Sommer 1943 angeblich anvertraut, dass die Nationalsozialisten »bereits über drei Millionen Juden vernichtet hatten«. Er offenbarte in diesem gruseligen Dokument, er habe Hitler unterstützt, weil er überzeugt war, dass es nach einem deutschen Sieg von den Zionisten keine Spur mehr in Palästina geben werde. [262]
Er hatte eine weite Reise zurückgelegt von der Vielvölkerstadt Jerusalem, wo die Juden, wie man sich vorstellen kann, über seine Rolle in Berlin zutiefst beunruhigt waren. Die Ansichten des Muftis sind durch nichts zu rechtfertigen – aber es wäre falsch, aus ihnen zu schließen, dass alle arabischen Nationalisten antisemitische Faschisten waren. Als einer ihrer typischen Vertreter kann Wasif Jawhariyyeh gelten, der, wie wir noch sehen werden, für die verfolgten Juden großes Mitgefühl empfand. In seinem Tagebuch schrieb er, die arabischen Einwohner Jerusalems hätten »gehofft, dass Deutschland den Krieg gewinnen würde, weil sie die Briten wegen ihrer Ungerechtigkeit, ihrer Lügen und wegen der Balfour-Deklaration hassten. Sie hörten sich die Nachrichten an, warteten auf Neuigkeiten vom deutschen Sieg und waren bei jeder Meldung enttäuscht, die einen militärischen Erfolg der Engländer verkündete.«
»Es mag seltsam klingen«, schrieb Hazem Nusseibeh, »aber Jerusalem erlebte während des Krieges eine nie dagewesene Phase der Ruhe und des wirtschaftlichen Aufschwungs.« Die Briten holten zum Schlag gegen die jüdischen Milizen aus: Moshe Dayan und andere führende
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