Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
Köpfe der Haganah wurden festgenommen und in der Festung Acre nahe Jerusalem inhaftiert. Doch als das britisch verwaltete Palästina sich im Mai 1941 plötzlich zwischen den Achsenmächten in Nordafrika und dem vom französischen Vichy-Regime regierten Syrien eingeklemmt fand, bildeten sie den Palmach, eine kleine paramilitärische Einsatzgruppe, deren Mitglieder sie aus Wingates Kämpfern der Special Night Squads und Sadehs Männern von der Notrim rekrutierten.
Dayan wurde, aus der Haft entlassen, die Aufgabe übertragen, durch Überfälle und Anschläge die britische Invasion im von der Vichy-Regierung kontrollierten Syrien und Libanon vorzubereiten. Während eines Gefechts im Süden des Libanon spähte Dayan mit dem Fernglas die französischen Stellungen aus, als eine Gewehrkugel in das Fernglas einschlug und eine Linse sowie das Metallgehäuse zerschmetterte, das sich in seine linke Augenhöhle bohrte. Mit der Augenklappe, die er infolge dieser Verletzung tragen musste, fühlte er sich wie ein Krüppel. »Ich wollte meine schwarze Augenklappe los sein, koste es, was es wolle. Die Aufmerksamkeit, die sie auf mich lenkte, war mir unerträglich. Jemand, der zwei gesunde Augen hat, wird kaum verstehen, wie unangenehm es ist, dauernd angestarrt zu werden und die Leute tuscheln zu hören.« Dayan zog wegen der notwendigen ärztlichen Behandlungen mit seiner Frau nach Jerusalem. Er liebte es, »in der Altstadt spazieren zu gehen, vor allem in den schmalen Gassen, die an den Stadtmauern entlangführten. Die Neustadt war mir irgendwie fremd. Aber die Altstadt war wie verzaubert.« Für den Fall der Eroberung Palästinas durch die Deutschen bereitete sich die Haganah mit Hilfe der Briten darauf vor, in den Untergrund zu gehen.
Jerusalem war ein bevorzugter Zufluchtsort für vertriebene Könige – König Georg II. von Griechenland, Peter II. von Jugoslawien und der äthiopische Kaiser Haile Selassie, sie alle wohnten im King David. Der Kaiser wanderte barfuß durch die Stadt und legte seine Krone vor dem Hauptaltar der Grabeskirche ab. Und seine Gebete wurden erhört: 1941 durfte er auf seinen Thron zurückkehren. [263]
In den Fluren und Bars im King David drängten sich ägyptische, libanesische, syrische, serbische, griechische und äthiopische Prinzen, Aristokraten, Gauner, Höflinge, Faulenzer, Magnaten, Zuhälter, Gigolos, Kurtisanen, Filmstars und Spione der Alliierten, der Achsenmächte, der Briten und der Australier neben Offizieren und Diplomaten in französischer, britischer, australischer und amerikanischer Uniform in solchen Massen, dass gewöhnliche Touristen Mühe hatten, sich zur Bar durchzuschlagen und den begehrten Dry Martini zu ergattern. 1942 meldete sich ein weiblicher Gast an der Rezeption an. Sie war eine der prominentesten Araberinnen ihrer Zeit und die Personifizierung der Dekadenz von Jerusalem als gesellschaftlicher Umschlaghafen der Levante. Sie sang unter dem Namen Asmahan; wo sie auftauchte, sorgte diese gefährliche, aber unwiderstehliche, von einer Aura des Geheimnisvollen umgebene Frau, die zugleich Drusenprinzessin, ägyptischer Filmstar, arabische Unterhaltungssängerin, Edelhure, Spionin für alle Seiten und noch einiges mehr war, unweigerlich für Chaos.
Die Tochter einer fürstlichen, aber verarmten syrischen Drusenfamilie, die 1918 nach Ägypten geflüchtet war, wurde mit 14 Jahren als Sängerin entdeckt. Mit 16 nahm Asmahan, deren Erkennungszeichen ein Schönheitsfleck am Kinn war, ihre erste Schallplatte auf und brachte es innerhalb kurzer Zeit als Sängerin und Schauspielerin zur Berühmtheit. 1933 verheiratete sie sich zum ersten Mal mit ihrem Cousin, dem Emir des Drusenbergs (sie heiratete ihn noch ein zweites Mal und ließ sich beide Male von ihm scheiden). Sie bestand auch in seinem Bergpalast darauf, ein unabhängiges, westlich orientiertes Leben zu führen, verbrachte aber ohnehin viel Zeit im King David. Im Mai 1941 wurde sie vom britischen Geheimdienst rekrutiert. Ihre Aufgabe war es, sich bei den wichtigen syrischen Politikern im von der Vichy-Regierung beherrschten Damaskus einzuschmeicheln und sie zur Unterstützung der Alliierten zu überreden. Nachdem die Alliierten Syrien und den Libanon eingenommen hatten, bedankte sich General Charles de Gaulle persönlich bei ihr. Mit ihrem Gesang, ihrer Eleganz und ihrer hemmungslosen Libido (mit bisexuellen Neigungen) umgarnte sie die Generäle des freien Frankreich und Großbritanniens in Beirut, die sie gegeneinander
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