Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
ausspielte, während sie von beiden Ländern ein Agentinnengehalt kassierte. Churchills Minister für Syrien und den Libanon, General Louis Spears, war hingerissen von ihr: »Sie war eine der schönsten Frauen, die ich je gesehen habe, und wird dies immer bleiben. Ihre Augen waren riesengroß, so grün wie das Meer, über das man ins Paradies segelt. Sie nietete die britischen Offiziere mit der Geschwindigkeit und Treffsicherheit eines Maschinengewehrs um. Selbstverständlich brauchte sie Geld.« Einem Witz nach, der die Runde machte, war man als ihr Liebhaber nie einsam in ihrem Boudoir, weil man mindestens einen General unter ihrem Bett, einen in ihrem Bett und Spears am Kandelaber hängend antraf.
Wütend darüber, dass die Briten ihr Versprechen eines unabhängigen arabischen Staates nicht hielten, stahl sie einem ihrer britischen Liebhaber geheime militärische Papiere und versuchte sie an die Deutschen zu verkaufen; als sie an der türkischen Grenze angehalten wurde, biss sie einen der Offiziere, die sie verhaften wollten. Nachdem die freien französischen Streitkräfte die Gehaltszahlungen an sie eingestellt hatten, ging sie nach Jerusalem. Als »Dame der Foyers« wohnte sie, immer noch erst 24-jährig, im King David, wo sie die Nächte durchmachte, Whisky-Champagner-Cocktail, ihr Lieblingsgetränk, schlürfte, palästinensische Würdenträger und die unvermeidlichen britischen Offiziere (und ihre Frauen) sowie Prinz Ali Khan verführte. Ein französischer Freund erinnerte sich: »Sie war ein Vollweib. Elle était diabolique avec les hommes .« In Anlehnung an ihren Nachnamen Altrash wurde sie von den Engländern Princess Trash, »Prinzessin Schund« genannt. Als ihr erster Film in die Kinos kam, waren ihre drusischen Landsleute so schockiert, dass sie auf die Leinwand schossen – sie war ihrer Zeit um Jahre voraus. Manchmal war sie selbst ihr größter Feind: Einmal versuchte sie, die ägyptische Königinmutter aus der besten Suite werfen zu lassen, während sie gleichzeitig eine Affäre mit dem königlichen Kammerherrn anfing. Ein Streit mit einer ägyptischen Tänzerin endete damit, dass die Frauen sich gegenseitig die Kleider zerrissen. Die Zionisten empfand sie als modisches Gottesgeschenk: »Gott sei gedankt für diese Wiener Kürschner – so bekommt man wenigsten einen anständigen Pelzmantel in Jerusalem.« Nachdem sie sich über ein Jahr lang in der Stadt aufgehalten und ihren dritten Mann, einen ägyptischen Playboy, geehelicht hatte, fuhr sie 1944 zu den Dreharbeiten für Love and Vengeance , in dem sie die Hauptrolle spielen sollte, nach Kairo, ertrank aber, bevor der Film zu Ende gedreht war, bei einem mysteriösen Autounfall im Nil. Als Drahtzieher des Unfalls wurden wechselweise der MI6, die Gestapo, König Farouk (den sie zurückgewiesen hatte) und ihre Rivalin Om Kalsoum, die berühmteste ägyptische Sängerin aller Zeiten, genannt. War ihr Bruder, der ebenfalls Sänger war, der Frank Sinatra der arabischen Welt, so war sie die Monroe. Ihre Lieder, allen voran ihr größter Hit, »Verzauberte Nächte in Wien«, erfreuen sich bis heute großer Beliebtheit.
In den Straßen Jerusalems wimmelte es von amerikanischen und australischen Soldaten. Gouverneur Edward Keith-Roach, der »Pascha von Jerusalem«, hatte Schwierigkeiten, die Australier unter Kontrolle zu halten, für die im alten Hotel Hensman in der Neustadt ein eigenes Bordell unter der Leitung einer gewissen Madame Zeinab eingerichtet worden war. Doch da auch regelmäßige medizinische Untersuchungen die Verbreitung von Geschlechtskrankheiten nicht eindämmen konnten, musste »Zeinab samt ihrem bunt gemischten Haufen« aus Keith-Roachs Bezirk verschwinden.
1942 rückten deutsche Truppen bis tief in den Kaukasus vor, während sich General Erwin Rommel mit seinem Afrika-Korps Ägypten näherte. Das nackte Leben der Jischuw in Palästina war bedroht. Auf der anderen Seite des Mittelmeers, in Griechenland, hatte das SS-Einsatzkommando Afrika unter Obersturmbannführer Walter Rauff den Befehl erhalten, die Juden Afrikas und Palästinas zu vernichten. »Man sah den Juden ihre Angst, ihre Verzweiflung und ihre Traurigkeit an, vor allem, als die Deutschen Tobruk erreichten«, schrieb Wasif Jawhariyyeh. Als ein fahrender Händler laut Sand anpries – das arabische Wort ramel klingt ähnlich wie Rommel – glaubten die Juden, die Deutschen würden in die Stadt einrücken. »Viele weinten und machten in ihrer Angst Anstalten zu flüchten«,
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