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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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jüdischen Volkes, aber den Verlust der Stadt sah er als Preis für die Eigenstaatlichkeit. Mit Unterstützung des Irak, Saudi-Arabiens und Syriens lehnte das Hohe Arabische Komitee die Teilung ab und forderte ein »vereintes unabhängiges Palästina«. Am 29. November 1947 stimmte die UN-Vollversammlung über den Vorschlag ab. Nach Mitternacht versammelten sich die Jerusalemer vor ihren Radiogeräten, um der Übertragung in aufreibend gespannter Stille zu lauschen. [181]
    Abd al-Kadir Husseini: die Jerusalem-Front
    In der UN-Vollversammlung stimmten 33 Länder, angeführt von den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion, für die Resolution 181, 13 dagegen, und zehn enthielten sich, darunter Großbritannien. Amos Oz erinnerte sich: »Nach weiteren zwei, drei Sekunden der Verblüffung, der dürstend geöffneten Lippen und weit aufgerissenen Augen, brüllte mit einem Schlag auch unsere entlegene Straße am Rand von Kerem Avraham im Norden Jerusalems, in einem ersten furchtbaren Schrei, … kein Schrei der Freude, … vielleicht ein Angst- und Entsetzensschrei, ein unheilschwangerer Aufschrei, ein Schrei, der Steine erschütterte«. Endlich gab es »laute Freudenrufe«, alle sangen und Juden küssten sogar »verblüffte englische Polizisten«.
    Die Araber gestanden den Vereinten Nationen nicht das Recht zu, das Land aufzuteilen. Es gab 1,2 Millionen Palästinenser, denen immer noch 94 Prozent des Landes gehörten, und 600 000 Juden. Beide Seiten bereiteten sich auf Kämpfe vor, während jüdische und arabische Extremisten sich mit gegenseitigen Gräueltaten einen unbarmherzigen Wettkampf lieferten. Jerusalem lag mit sich im Krieg.
    Arabische Pöbelhaufen strömten in die Innenstadt, lynchten Juden, schossen in die jüdischen Viertel, plünderten Geschäfte und schrien: »Schlachtet die Juden ab!« Der Anwalt Anwar Nusseibeh, der Orangenhaine und Villen geerbt und in Cambridge studiert hatte, beobachtete bekümmert, wie die Stadt »in einem Albtraum von Irrwitz und Chaos« versank: »Professoren, Ärzte und Ladenbesitzer beider Seiten bemannten Stellungen und schossen auf Leute, die sie zu anderen Zeiten als Gäste in ihrem Haus empfangen hätten.«
    Am 2. Dezember 1947 wurden drei Juden in der Altstadt erschossen; am 3. Dezember überfielen bewaffnete Araber das Montefiore-Viertel, eine Woche später das jüdische Viertel, wo 1500 Juden, die gegenüber den 22 000 Arabern der Altstadt weit in der Minderheit waren, angespannt abwarteten. Juden und Araber verließen die gemischten Wohnviertel. Am 13. Dezember verübte die Irgun auf den Busbahnhof vor dem Damaskustor einen Bombenanschlag, der fünf Araber tötete und viele verletzte. Anwar Nusseibehs Onkel überlebte den Irgun-Anschlag nur knapp und sah »einen zerfetzten, blutigen Körperteil an der Stadtmauer kleben«. Innerhalb von zwei Wochen wurden 74 Juden, 71 Araber und neun Briten getötet.
    Als Ben-Gurion am 7. Dezember von Tel Aviv zum Hochkommissar nach Jerusalem fuhr, geriet sein Konvoi unterwegs in einen Hinterhalt. Die Haganah berief alle Reservisten zwischen 17 und 25 Jahren ein. Die Araber bereiteten sich auf einen Krieg vor. Freiwillige meldeten sich, um in verschiedenen Milizen zu kämpfen: Irakis, Libanesen, Syrer, Bosnier; einige waren nationalistische Veteranen früherer Kämpfe, andere dschihadistische Fundamentalisten. Die größte Miliz, die Arabische Befreiungsarmee, hatte über 5000 Freischärler. Auf dem Papier besaßen die arabischen Streitkräfte mit den regulären Armeen von sieben arabischen Staaten eine überwältigende Überlegenheit. General Barker, der Palästina mittlerweile verlassen hatte, sagte Katy Antonius »als Soldat« zuversichtlich voraus: »Die Juden werden ausgelöscht.« In Wirklichkeit war die Arabische Liga, die 1945 gegründete Organisation der neuerdings unabhängigen arabischen Staaten, durch die Territorialbestrebungen und dynastischen Rivalitäten ihrer Mitglieder gespalten. Abdullah, der frisch gekürte Haschemitenkönig von Jordanien, wollte Palästina nach wie vor in sein Königreich integrieren; Damaskus strebte ein Großsyrien an; König Farouk von Ägypten sah sich als rechtmäßigen Führer der arabischen Welt und hasste die in Jordanien und im Irak regierenden Haschemiten, die wiederum König Ibn Saud nach wie vor verübelten, dass er sie aus Arabien vertrieben hatte. Und sämtliche arabischen Staatsoberhäupter misstrauten dem Mufti, der nach Ägypten zurückkehrte und fest entschlossen war, sich an die Spitze

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