Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
des palästinensischen Staates zu stellen.
In diesem Umfeld voller Korruption, Betrug und Inkompetenz lieferte Jerusalem die arabischen Kriegshelden. Abgestoßen von diesen schmutzigen Intrigen und Debakeln, gründete Anwar Nusseibeh mit Vertretern anderer Jerusalemer Familien wie den Khalidis und Dajanis das Herodestor-Komitee, um Waffen zu kaufen. Sein Vetter, Abd al-Kadir Husseini, der 1941 im Irak gegen die Briten gekämpft und für den Rest des Krieges in Kairo untergetaucht war, übernahm das Kommando über das arabische Hauptquartier an der sogenannten Jerusalem-Front.
Husseini erwies sich als Inbegriff des arabischen Helden, trug immer Kefije, Khaki und gekreuzte Patronengurte, war der revolutionäre Spross der Jerusalemer Aristokratie, Sohn und Enkel von Bürgermeistern der Stadt, Nachfahre des Propheten Mohammed, graduierter Chemiker, Amateurdichter, Zeitungsredakteur und ein Kämpfer von erwiesener Tapferkeit. Sein Vetter Said al-Husseini schilderte: »Ich weiß noch aus meiner Kinderzeit, dass ich ihn in eine sichere Wohnung in einem unserer Häuser kommen sah, und bis heute erinnere ich mich an sein Charisma, seine Ausstrahlung und die Aura drängender heldenhafter Erregung, von der er überall umgeben war. Alle, ob hoch oder niedrig, bewunderten ihn«. Ein junger Student aus Gaza, Yasser Arafat, der stolz auf die verwandtschaftlichen Beziehungen seiner Mutter zu den Husseinis war, gehörte zu Abd al-Kadirs Stab.
Bewaffnete Zionisten beschossen vom jüdischen Viertel aus den Tempelberg; Araber beschossen jüdische Zivilisten von Katamon aus. Am 5. Januar 1948 griff die Haganah Katamon an, zerstörte das Semiramis-Hotel und tötete elf unbeteiligte arabische Christen. Diese Gräueltat beschleunigte die Flucht der Araber aus der Stadt. Ben-Gurion entließ den verantwortlichen Haganah-Offizier. Zwei Tage später verübte die Irgun einen Bombenanschlag auf einen Vorposten am Jaffator, der Lieferungen in das jüdische Viertel verhinderte. Am 10. Februar griffen 150 Milizionäre Husseinis das Montefiore-Viertel an; die Haganah wehrte sie ab, geriet aber in der Nähe des King David Hotels unter Beschuss britischer Heckenschützen, die einen jungen jüdischen Kämpfer töteten. Die britische Mandatsverwaltung war noch vier Monate im Amt, aber Jerusalem versank bereits in einem ausgewachsenen, wenn auch asymmetrischen Krieg. In den vorangegangenen sechs Wochen waren 1060 Araber, 769 Juden und 123 Briten getötet worden. Jede Gräueltat musste doppelt gerächt werden.
Die Zionisten waren in Jerusalem angreifbar: Die Straße von Tel Aviv führte auf einer Strecke von 50 Kilometern durch arabisches Gebiet, und dort griff Abd al-Kadir Husseini, der die 1000 Mann starke Jerusalem-Brigade der Dschihad-Armee des Muftis befehligte, ständig an. Der gebürtige Jerusalemer Palmach-Offizier Yitzhak Rabin erinnerte sich: »Der arabische Plan war, Jerusalems 90 000 Juden bis zur Aufgabe abzuschneiden« – und bald zeigte dieses Vorgehen Wirkung.
Am 1. Februar jagten Husseinis Milizionäre mit Hilfe von zwei britischen Deserteuren die Büros der Palestine Post in die Luft; am 10. Februar griffen sie erneut das Montefiore-Viertel an, wurden aber nach sechsstündigem Feuergefecht wieder von der Haganah abgewehrt. Die Briten richteten unterhalb vom Jaffator einen Kommandoposten ein, um das Montefiore-Viertel zu schützen. Am 13. Februar nahmen die Briten vier Haganah-Kämpfer fest und überließen sie unbewaffnet einem arabischen Mob, der sie ermordete. Am 22. Februar setzte Husseini britische Deserteure ein, um einen Sprengstoffanschlag auf die Ben-Yehuda-Straße zu verüben, bei dem 52 jüdische Zivilisten getötet wurden. Die Irgun erschoss zehn britische Soldaten.
Der Versuch, Jerusalem zu verteidigen, war »wie ein alter Wasserschlauch, den man an einer Stelle reparierte, der aber an zwei anderen Stellen platzte«, wie Nusseibeh sich erinnerte. Die Haganah sprengte die alte Burg der Nusseibehs. Der ehemalige arabische Bürgermeister Hussein Khalidi klagte: »Alle gehen. Viel länger kann ich nicht durchhalten. Jerusalem ist verloren. In Katamon ist niemand mehr. Sheikh Jarrah ist leer. Jeder, der ein bisschen Geld hat, hat sich nach Ägypten, in den Libanon oder nach Damaskus abgesetzt.« Bald verließen Flüchtlinge in Scharen die arabischen Stadtteile. Katy Antonius fuhr nach Ägypten; ihre Villa wurde von der Haganah in die Luft gejagt, allerdings erst, nachdem man ihre Liebesbriefe von General Barker gefunden
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