Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
kontrollierten Skopusberg und erklärten: »Entscheidungen waren zu treffen, ob (a) israelisches Geld verwendet werden solle, um arabische Esel zu kaufen, um den israelischen Löwen zu füttern oder (b) ob ein israelischer Esel durch von Jordanien beherrschtes Gebiet passieren solle, um von dem fraglichen Löwen gefressen zu werden.« Schließlich eskortierte ein UN-Konvoi die Zootiere durch jordanisches Territorium nach Westjerusalem.
Jenseits des Stacheldrahtes beklagten die Nusseibehs die Katastrophe: »Ich erlitt so etwas wie einen Nervenzusammenbruch«, gab Hazem Nusseibeh zu. Sein Neffe Sari vermisste die kosmopolitische Atmosphäre: »Es gab keine englischen oder arabischen Aristokraten mehr, keine sorglos flanierenden Parvenus, keine mittelständischen Kaufleute und keine Halbwelt, die die Soldaten bediente. Vorbei war … es auch mit der anregenden Mischung verschiedener Kulturen – den Bischöfen, muslimischen Geistlichen und schwarzbärtigen Rabbis, die dieselben Straßen bevölkerten.«
Im November krönte seltsamerweise der koptische Bischof Abdullah zum König von Jerusalem – der erste König seit Friedrich II., der die Stadt regierte. Am 1. Dezember ließ er sich in Jericho zum König von Palästina erklären und benannte sein Reich um in Vereinigtes Königreich Jordanien. Die Husseinis und die arabischen Nationalisten prangerten Abdullah wegen seiner Kompromisse an und konnten ihm nicht verzeihen, dass er als einziger Araber erfolgreich aus der palästinensischen Katastrophe hervorgegangen war.
Der König wandte sich an die Notabelnfamilien Jerusalems, die nun eine seltsame Renaissance erlebten. Er bot Ragheb Nashashibi an, Ministerpräsident von Jordanien zu werden. Nashashibi lehnte ab, erklärte sich aber bereit, ein Ministeramt zu übernehmen. Der König ernannte ihn zum Gouverneur des Westjordanlandes und zum Hüter der beiden Harams (in Jerusalem und Hebron), schenkte ihm einen Wagen, einen Studebaker, und verlieh ihm den Titel »Ragheb Pasha«. (Die Jordanier verliehen in den 1950er Jahren immer noch osmanische Titel.) Sein dandyhafter Neffe Nassereddin Nashashibi wurde königlicher Kammerherr. [271] Den verhassten Mufti setzte Abdullah in einem Akt der Genugtuung offiziell ab und ernannte an seiner Stelle Scheich Husam al-Jarallah, den man 1921 um dieses Amt betrogen hatte.
Man warnte Abdullah vor geplanten Mordanschlägen, aber er erwiderte immer: »Bis meine Zeit kommt, kann niemand mir etwas anhaben; wenn meine Zeit kommt, kann niemand mich schützen.« Ungeachtet aller Gefahren war der 69-jährige Abdullah stolz, Jerusalem zu besitzen. Sein Enkel Hussein erinnerte sich: »Als ich noch ein Kind war, erzählte mein Großvater mir immer, dass Jerusalem eine der schönsten Städte der Welt sei.« Mit der Zeit bemerkte er, dass die Liebe seines Großvaters zu Jerusalem immer mehr wuchs. Von seinem ältesten Sohn Talal war er enttäuscht, liebte aber seinen Enkel und erzog ihn zum König. In den Schulferien frühstückten sie jeden Tag gemeinsam. »Ich wurde der Sohn, den er sich immer gewünscht hatte«, schrieb Hussein.
Am Freitag, dem 20. Juli 1951, fuhr Abdullah mit dem 16-jährigen Hussein, der in Harrow zur Schule ging, nach Jerusalem und wies ihn vorher an, seine Militäruniform anzuziehen und seine Orden anzulegen. Vor der Abfahrt sagte der König zu ihm: »Ich hoffe, mein Sohn, du verstehst, daß du eines Tages die Verantwortung übernehmen mußt.« Und er fügte hinzu: »Wenn es mir bestimmt ist zu sterben, möchte ich von einem Unbekannten durch den Kopf geschossen werden. Das ist die einfachste Art zu sterben.« In Nablus machten sie halt, um den Vetter des Muftis, Dr. Musa al-Husseini, zu begrüßen, der dem Mufti als Verbindungsmann zu den Nazis in Berlin gedient hatte: Er verbeugte sich und beteuerte seine Loyalität.
Kurz vor Mittag traf Abdullah mit seinem Enkel, Glubb Pasha, Kammerherr Nassereddin Nashashibi und dem dubiosen Musa Husseini zum Freitagsgebet in Jerusalem ein. Die Menge war finster gestimmt und misstrauisch; es waren so viele nervöse Leibgardisten der Arabischen Legion im Einsatz, dass Hussein scherzhaft fragte: »Was ist das … ein Begräbnis?« Abdullah besuchte das Grab seines Vaters, ging dann zurück zur al-Aqsa-Moschee und wies die Leibgardisten an, sich zurückzuziehen, aber Musa Husseini blieb in seiner Nähe. Als Abdullah in die Vorhalle der Moschee kam und der Scheich der Moschee ihm die Hand küsste, trat ein junger Mann hinter der Tür
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