Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
hervor, hob eine Pistole, presste dem König den Lauf ans Ohr und schoss. Der König war auf der Stelle tot. Die Kugel trat durch das Auge aus, Abdullah brach zusammen, sein weißer Turban rollte über den Boden. Alle warfen sich auf den Boden und »krümmten sich zusammen wie verängstigte alte Weiber«, stellte Hussein fest. »Ich muss in diesem Augenblick völlig den Kopf verloren haben«. Er stürzte sich auf den Attentäter, der sich zu ihm umdrehte. »Ich erblickte sein Gesicht, seine entblößten Zähne, seine irren Augen. Noch immer hatte er den kleinen schwarzen Revolver in der Hand, und ich sah wie hypnotisiert, daß er auf mich anlegte – ich sah den Rauch, hörte den Schuß und schwankte, als ich einen Schlag gegen meine Brust fühlte. War das der Tod?« Seine Kugel traf auf Metall. Abdullah hatte seinem Enkel das Leben gerettet, als er ihn angewiesen hatte, die Orden anzulegen.
Die Leibgardisten schossen wild um sich und töteten den Attentäter. Nashashibi hielt den toten König, aus dessen Nase Blut quoll, in den Armen und küsste immer wieder seine Hand. Die Legionäre stürmten durch die Straßen, und Glubb hatte Mühe, sie zurückzuhalten. Hussein kniete neben dem König und ging neben dem Leichnam her, als er in das Österreichische Hospiz getragen wurde. Dort bekam Hussein ein Beruhigungsmittel, bevor man ihn eilends nach Amman flog. [183]
Hussein von Jordanien: der letzte König von Jerusalem
Es hieß, der Mufti und König Farouk von Ägypten steckten hinter dem Attentat. Musa Husseini wurde verhaftet und gefoltert, bevor man ihn und drei weitere Beschuldigte hinrichtete. Dieses Attentat war jedoch nur einer der Morde und Staatsstreiche, zu denen es im Gefolge der arabischen Niederlage kam. König Farouk, der letzte von Mehmet Alis Albanern, wurde 1952 von einer Junta sogenannter Freier Offiziere unter der Führung von General Muhammad Neguib und Oberst Gamal Abdul Nasser gestürzt.
Nachfolger Abdullahs von Jordanien wurde sein Sohn, König Talal, der jedoch unter schizophrenen Schüben litt, bei denen er gewalttätig wurde und beinahe seine Frau tötete. Als der junge Hussein in Genf Urlaub machte, brachte ihm ein Kellner im Hotel am 12. August 1952 einen Briefumschlag auf einem Silbertablett. Er war adressiert an »Seine Majestät, König Hussein«. Sein Vater hatte abgedankt. Hussein war erst 17 Jahre alt, liebte schnelle Autos und Motorräder, Flugzeuge und Hubschrauber, die er selbst flog, und schöne Frauen – fünf heiratete er. Während sein Großvater nie den Traum eines haschemitischen Großkönigreichs aufgegeben und alles riskiert hatte, um Jerusalem zu bekommen, erkannte König Hussein sehr bald, dass es schon eine Leistung wäre, als König von Jordanien zu überleben.
Dieser lässig elegante Monarch, der eine Offiziersausbildung in Sandhurst absolviert hatte, war prowestlich eingestellt, bekam für sein Regime Finanzmittel zunächst von Großbritannien, später von den Vereinigten Staaten, konnte aber nur überleben, indem er zwischen den Kräften der arabischen Welt lavierte. Zuweilen musste er die erdrückende Umarmung feindlicher radikaler Tyrannen wie Nassers in Ägypten und Saddam Husseins im Irak hinnehmen. Wie sein Großvater verstand er es, mit den Israelis zusammenzuarbeiten; wesentlich später sollte er sich besonders mit Rabin gut verstehen.
Der achtzigjährige Winston Churchill, der seit 1951 wieder britischer Premierminister war, äußerte gegenüber einem Vertreter Husseins: »Sie sollten den Juden Jerusalem überlassen – schließlich haben sie es berühmt gemacht.« Aber die Stadt blieb geteilt in Ost und West, »eine erschütternde Abfolge provisorischer Zäune, Mauern und Stacheldrahtrollen« mit Warnschildern auf Hebräisch, Englisch und Arabisch: »Stop! Lebensgefahr! Grenze!« Nachts ratterten Maschinengewehre, und der einzige Übergang war das Mandelbaumtor, das ebenso berühmt wurde wie der Checkpoint Charlie in Berlin. Allerdings war es weder ein Tor noch das Haus der Mandelbaums. Der aus Weißrussland stammende Strumpffabrikant Simchah Mandelbaum und seine Frau Esther, die beide seit langem verstorben waren, hatten ein massiv gebautes Haus besessen, das die Haganah als Bollwerk genutzt und die Arabische Legion 1948 gesprengt hatte. Auf seinen Ruinen befand sich der Kontrollpunkt Mandelbaum.
Getrennt durch diese verminten Stacheldrahtverhaue lebten der jüdische Teenager Amos Oz und das Palästinenserkind Sari Nusseibeh, der Sohn Anwar Nusseibehs,
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