Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
des hadrianischen Cardo geworfen hatten – wurden in der restaurierten Altstadt Teil einer Dauerausstellung.
Teddy Kollek, der Bürgermeister von Westjerusalem, der mehrfach wiedergewählt wurde und die vereinte Stadt 28 Jahre lang regierte, bemühte sich sehr, die Araber zu beruhigen, und verkörperte das liberale israelische Bestreben, die Stadt unter jüdischer Regierung zu vereinen, dabei aber das arabische Jerusalem zu respektieren. [276] Wie schon in der Mandatszeit lockte das wohlhabende Jerusalem Araber aus dem Westjordanland an – die Einwohnerzahl verdoppelte sich innerhalb von zehn Jahren. Die Einnahme der Stadt ermunterte Israelis aller Couleur, vor allem aber nationalistische und erlösungsorientierte Zionisten, die Eroberung zu sichern, indem sie »Fakten vor Ort« schufen; umgehend begannen sie, rund um das arabische Ostjerusalem neue jüdische Vororte zu bauen.
Anfangs war die arabische Opposition gedämpft; viele Palästinenser arbeiteten in Israel oder mit Israelis. Ich erinnere mich, dass ich als Junge bei Besuchen in Israel Tage bei palästinensischen und israelischen Freunden zu Hause in Jerusalem und im Westjordanland verbrachte, ohne zu ahnen, dass diese Phase des guten Willens und der freundschaftlichen Kontakte schon sehr bald die Ausnahme von der Regel sein würde. Im Ausland sah es völlig anders aus. Yasser Arafat und seine Fatah übernahmen 1969 die PLO. Die Fatah intensivierte ihre Guerillaangriffe auf Israel, während eine andere Gruppierung, die Marxist-Leninist Popular Front for the Liberation of Palestine (Marxistisch-leninistische Volksfront für die Befreiung Palästinas) erstmals spektakuläre Flugzeugentführungen unternahm, aber auch herkömmlichere Anschläge auf Zivilisten verübte.
Der Tempelberg brachte eine große Verantwortung mit sich, wie Dayan durchaus begriffen hatte. Am 21. August 1969 setzte ein australischer Christ – David Rohan, der offenbar an dem Jerusalemsyndrom litt – die al-Aqsa-Moschee in Brand, um die Wiederkehr des Messias zu beschleunigen. [277] Das Feuer zerstörte Nur al-Dins Minbar, den Saladin in die Moschee eingebaut hatte, und schürte Gerüchte über eine jüdische Verschwörung, den Tempelberg einzunehmen, was wiederum arabische Unruhen auslöste.
Im »Schwarzen September« 1970 besiegte und vertrieb König Hussein Arafat und die PLO, die seine Macht in Jordanien bedroht hatten. Arafat verlegte sein Hauptquartier in den Libanon, und die Fatah begann mit internationalen Flugzeugentführungen und Anschlägen auf Zivilisten, um die Welt auf das Anliegen der Palästinenser aufmerksam zu machen – Blutbäder als Polittheater. Fatahmitglieder benutzten 1972 den »Schwarzen September« als Vorwand, um bei den Olympischen Spielen in München elf israelische Sportler zu ermorden. Der israelische Geheimdienst Mossad jagte daraufhin die Täter in ganz Europa.
Am Versöhnungstag im Oktober 1973 unternahm Nassers Nachfolger, der ägyptische Präsident Anwar as-Sadat gleichzeitig mit Syrien einen Überraschungsangriff gegen das allzu selbstsichere Israel. Mit anfänglichen Erfolgen brachten die Araber Verteidigungsminister Moshe Dayan in Misskredit, der nach zwei Tagen der Rückschläge beinahe die Nerven verlor. Mit Hilfe amerikanischer Nachschublieferungen machten die Israelis jedoch mobil, und General Ariel Sharon führte den israelischen Gegenangriff über den Suezkanal an und machte sich damit einen Namen. Kurze Zeit später erkannte König Hussein auf Drängen der Arabischen Liga die PLO als einzigen Repräsentanten der Palästinenser an.
Dreißig Jahre nach der Bombardierung des Hotels King David gelang es Menachem Begin und seinem Likud-Block 1977, die seit 1948 regierende Arbeitspartei abzulösen und mit einem nationalistisch-messianistischen Programm für ein Großisrael mit Jerusalem als Hauptstadt an die Macht zu kommen. Aber es war Begin, der Präsident Sadat am 19. November nach seinem couragierten Flug nach Jerusalem begrüßte. Sadat wohnte im Hotel King David, betete in der al-Aqsa-Moschee, besuchte Yad Vashem und bot der Knesset Frieden an. Das weckte Hoffnungen. Mit Hilfe von Moshe Dayan, der nun Außenminister war, gab Begin die Sinaihalbinsel im Tausch für einen Friedensvertrag an Ägypten zurück. Im Gegensatz zu Dayan, der kurze Zeit später zurücktrat, war Begin mit der arabischen Welt kaum vertraut und blieb der Sohn des polnischen Stetls, ein beinharter Nationalist mit einer manichäischen Sicht des jüdischen Kampfes,
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