Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
Stadtteil Silwan neben der ursprünglichen Davidsstadt nieder. Kollek, der sein Lebenswerk von aggressiven Erlösungsfanatikern bedroht sah, prangerte Sharon und diese Siedler an wegen ihres »Messianismus, der schon immer in unserer Geschichte extrem schädlich für uns war«.
Die Intifada führte unmittelbar zu den Osloer Friedensverhandlungen. Arafat akzeptierte 1988 die Idee einer Zweistaatenlösung und rückte vom bewaffneten Kampf zur Vernichtung Israels ab. König Hussein gab seinen Anspruch auf Jerusalem und das Westjordanland auf, wo Arafat einen Palästinenserstaat mit al-Quds als Hauptstadt schaffen wollte. Als Yitzhak Rabin 1992 Ministerpräsident Israels wurde, schlug er die Intifada nieder; mit seiner unverhohlenen Härte besaß er die einzigen Qualitäten, auf die Israelis bei einem Friedensstifter vertrauten. Zuvor hatten die Amerikaner Friedensgespräche in Madrid geleitet, die gescheitert waren, aber ohne Wissen der meisten Hauptakteure hatte sich ein geheimer Friedensprozess entwickelt, der Früchte tragen sollte.
Er begann mit informellen Gesprächen zwischen israelischen und palästinensischen Akademikern. Es gab Treffen im American Colony Hotel, das als neutrales Territorium galt, sowie in London und Oslo. Anfangs leiteten Außenminister Shimon Peres und sein Stellvertreter Yossi Beilin die Gespräche ohne Rabins Wissen. Erst 1993 informierten sie Rabin, der die Gespräche unterstützte. Am 13. September 1993 unterzeichneten Rabin und Peres, unter Präsident Clintons genialer Aufsicht, im Weißen Haus einen Vertrag mit Arafat. Danach wurden das Westjordanland und der Gazastreifen teilweise einer Palästinensischen Autonomiebehörde unterstellt, die für ihren Sitz in Jerusalem das alte Stadthaus der Husseinis, das Orienthaus, übernahm und von dem angesehensten Palästinenser der Stadt geleitet wurde, von Faisal al-Husseini, dem Sohn des Helden von 1948. [278] Rabin schloss einen Friedensvertrag mit König Hussein von Jordanien und bestätigte die spezielle Rolle der Haschemiten als Verwaltern des islamischen Heiligtums in Jerusalem, die sie bis heute innehaben. Israelische und palästinensische Archäologen handelten einen eigenen akademischen Frieden aus und begannen enthusiastisch, erstmals zusammenzuarbeiten.
Die Jerusalemfrage wurde auf spätere Verhandlungen vertagt; noch bevor es zu einer Vereinbarung kam, intensivierte Rabin den Siedlungsbau im Stadtgebiet. Beilin und Arafats Stellvertreter Mahmoud Abbas führten Verhandlungen, Jerusalem in arabische und jüdische Gebiete unter einer gemeinsamen Verwaltung aufzuteilen und der Altstadt einen »Sonderstatus« zu verleihen, beinahe wie einer Vatikanstadt des Nahen Ostens – aber es wurden keine Verträge unterzeichnet.
Die Oslo-Abkommen ließen vielleicht zu viele Details ungeklärt und stießen bei beiden Seiten auf erheblichen Widerstand. Der 82-jährige Bürgermeister Kollek verlor die nächsten Wahlen gegen Ehud Olmert, der eine härtere Linie vertrat und die Unterstützung von Nationalisten und Ultraorthodoxen hatte. Am 4. November 1995, nur vier Tage nachdem Beilin und Abbas eine informelle Verständigung über Jerusalem erzielt hatten, ermordete ein jüdischer Fanatiker Ministerpräsident Rabin. Rabin, ein gebürtiger Jerusalemer, wurde auf dem Herzlberg beigesetzt. König Hussein hielt eine Trauerrede, der amerikanische Präsident und zwei seiner Vorgänger nahmen an der Trauerfeier teil. Präsident Mubarak kam zum ersten Mal nach Israel, und der Prince of Wales machte seinen einzigen offiziellen königlichen Besuch in Jerusalem seit der Gründung Israels.
Der Friedensprozess bröckelte. Die islamischen Fundamentalisten der Hamas starteten eine Serie von Selbstmordattentaten, die willkürliche Blutbäder unter israelischen Zivilisten anrichteten. Ein arabischer Selbstmordattentäter tötete 25 Menschen in einem Bus in Jerusalem. Eine Woche später riss ein weiterer Selbstmordattentäter auf derselben Buslinie 18 Menschen in den Tod. Israelische Wähler bestraften Ministerpräsident Peres für die palästinensische Gewalt und wählten Benjamin Netanyahu, den Spitzenkandidaten des Likud-Blocks, der mit dem Slogan antrat: »Peres wird Jerusalem teilen.« Netanyahu stellte das Prinzip Land-für-Frieden in Frage, war gegen eine Teilung Jerusalems und gab den Bau weiterer Siedlungen in Auftrag.
Im September 1996 eröffnete Netanyahu einen Tunnel, der von der Westmauer am Tempelberg entlang in das muslimische Viertel führte. [279]
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