Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
Daher wurde Rom zu ihrer heiligen Stadt; die meisten Christen in Palästina lebten in Caesarea an der Küste; Jerusalem wurde zur »himmlischen Stadt«, während der reale Ort, Aelia Capitolina, nur ein obskurer Ort war, an dem Jesus gestorben war. Aber die dort ansässigen Christen hielten die Erinnerung an die Stelle wach, an der die Kreuzigung und die Auferstehung stattgefunden hatten und die nun unter Hadrians Jupitertempel begraben lag; sie schlichen sich sogar hinein und ritzten Graffiti in den Stein. [84]
Auf dem Tiefpunkt des Römischen Reiches nahmen die Perser 260 den Kaiser gefangen (zwangen ihn, geschmolzenes Gold zu trinken, weideten ihn aus und stopften ihn mit Stroh aus). Der gesamte Osten einschließlich der unbefestigten Stadt Aelia ging an das kurzlebige Reich Palmyra unter der Herrschaft einer jungen Frau, Zenobia, verloren. Innerhalb von zwölf Jahren eroberte Rom den Osten allerdings zurück. Gegen Ende des 3. Jahrhunderts stellte Kaiser Diokletian die römische Macht erfolgreich wieder her und führte die Verehrung der alten Götter wieder ein. Aber die Christen untergruben dieses Wiederaufleben offenbar. Als Diokletian 299 bei einer Parade in Syrien den Göttern opferte, machten einige christliche Soldaten das Kreuzzeichen, worauf die heidnischen Seher erklärten, die Weissagung sei fehlgeschlagen. Als Diokletians Palast niederbrannte, gab er den Christen die Schuld, verfolgte sie grausam, marterte sie, verbrannte ihre Schriften und zerstörte ihre Kirchen.
Nachdem Diokletian 305 abgedankt hatte und das Römische Reich geteilt wurde, intensivierte Galerius, der neue Kaiser im Osten, das Gemetzel an den Christen mit Enthauptungen, Verbrennungen und Verstümmelungen. Kaiser des Westreichs wurde Constantius Chlorus, ein stämmiger illyrischer Soldat, der die Kaiserwürde in York erhielt. Er war aber bereits krank und starb kurze Zeit später, und so riefen die britannischen Legionen im Juli 306 seinen jungen Sohn Konstantin zum Kaiser aus. Er sollte 15 Jahre brauchen, zunächst den Westen und anschließend den Osten des Römischen Reichs zu erobern, aber wie König David sollte auch Konstantin mit einer einzigen Entscheidung den Lauf der Weltgeschichte und das Schicksal Jerusalems verändern. [67]
Teil III
Christentum
… Jerusalem, denn sie ist die Stadt des großen Königs.
Jesus, Matthäus 5,35
Jerusalem, Jerusalem, die du tötest die Propheten und steinigst die, die zu dir gesandt sind.
Jesus, Matthäus 23,37
Brecht diesen Tempel ab und in drei Tagen will ich ihn aufrichten.
Jesus, Johannes 2,19
So sehr sich Judäa über die anderen Provinzen erhebt, ebenso ragt diese Stadt an Bedeutung über ganz Judäa empor.
Hieronymus, Brief 46,3
Hier kommt jetzt die ganze Welt zusammen. Die Stadt ist angefüllt mit Leuten aus allen Nationen. Menschen beiderlei Geschlechts sind hier in einem Maße zusammengewürfelt, daß du Zustände ganz ertragen mußt, denen du anderswo wenigstens zum Teil ausweichen kannst.
Hieronymus, Brief 58,4
15
Die Hochblüte des Byzantinischen Reiches
312 – 518
Konstantin der Grosse: Christus, der Siegesgott
Konstantin marschierte 312 in Italien ein und griff seinen Rivalen Maxentius unmittelbar vor Rom an. Am Abend vor der Schlacht sah Konstantin »am Himmel über der Sonne das Siegeszeichen des Kreuzes, aus Licht gebildet« und dazu die Worte: »Durch dieses siege!« Er versah die Schilde seiner Soldaten mit dem Chi-Rho-Symbol, den ersten beiden griechischen Buchstaben von »Christus«. Am nächsten Tag errang er in der Schlacht an der Milvischen Brücke den Westen des Römischen Reiches. In jener Zeit der Weissagungen und Visionen glaubte Konstantin, er verdanke seine Macht dem christlichen »höchsten Gott«.
Konstantin war ein harter Soldat, ein heiliger Visionär, ein mörderischer Autokrat und ein politischer Propagandist, der sich rücksichtslos seinen Weg an die Macht erkämpfte; aber sobald er den Gipfel der menschlichen Macht erlangt hatte, schwebte ihm ein Reich vor, das unter einer Religion und einem Kaiser vereint wäre. Er steckte voller Widersprüche, hatte einen Stiernacken, eine Adlernase und Ausbrüche von Verfolgungswahn, in denen er plötzlich Freunde und Verwandte tötete. Er trug das Haar schulterlang, liebte protzige Armreifen, juwelenbesetzte Gewänder und genoss das Gepränge der Macht, Debatten mit Philosophen und Bischöfen sowie Planungen von architektonischer Schönheit und religiöser Kühnheit. Niemand weiß, warum er zu dieser Zeit das
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