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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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einarbeiten ließ. Von nun an wollte die ganze Christenheit unbedingt die heiligen Reliquien haben, die in der Regel aus Jerusalem stammten, und so spross aus diesem lebenspendenden Baum ein ganzer Wald von Splittern des wahren Kreuzes, das nach und nach das frühere Chi-Rho als Symbol des Christentums ablöste.
    Helenas Kreuzfund war möglicherweise eine spätere Erfindung, fest steht jedoch, dass sie die Stadt für immer veränderte. Auf dem Ölberg baute sie die Auferstehungs- und die Eleona-Kirche. Ihr dritter Kirchenbau, die nach zehn Jahren vollendete Grabeskirche, bestand nicht aus einem Gebäude, sondern aus einem vierteiligen Komplex, dessen Hauptfassade nach Osten gewandt war und dessen Haupteingang am Cardo, der römischen Hauptstraße, lag. (Die heutige Kirche ist nach Süden gerichtet.) Der Besucher gelangte über die Treppe in ein Atrium, das durch drei Eingänge in die Basilika oder das Martyrium führte, eine riesige fünfschiffige »Kirche von wunderbarer Schönheit« mit Säulenreihen; von dort gelangte man durch die Apsis in den Heiligen Hof, der von Säulengängen umschlossen war und in dessen Südostecke sich der Berg Golgatha in einer offenen Kapelle befand. Die Rotunde mit goldener Kuppel (die Anasthasis) hatte eine Öffnung, durch die das Tageslicht auf das Grab Jesu fiel. Die Pracht der Anlage beherrschte Jerusalems heiligen Raum und verhöhnte den Tempelberg, auf dem Helena alle heidnischen Schreine abreißen und den Schutt, der »besudelt und befleckt« war, beseitigen ließ, um das Scheitern des jüdischen Gottes zu demonstrieren. [88]
    Nur wenige Jahre später, 333, fand einer der ersten neuen Pilger, ein anonymer Wallfahrer aus Bordeaux, Aelia in eine betriebsame christliche Tempelstadt verwandelt. Die »wunderbare« Kirche war noch nicht fertig, wuchs aber zügig, und Hadrians Statue stand noch immer mitten unter den Trümmern auf dem Tempelberg.
    Kaiserin Helena besuchte alle Stätten aus dem Leben Jesu und schuf die erste Landkarte für Pilger, die allmählich in Scharen nach Jerusalem strömten, um die besondere Heiligkeit der Stadt zu erleben. Mit nahezu achtzig Jahren kehrte Helena nach Konstantinopel zurück, wo ihr Sohn weitere Teile des Kreuzes aufbewahrte, und schickte einen weiteren Splitter und die Tafel an ihre römische Kirche, die den passenden Namen Santa Croce in Gerusalemme erhielt.
    Eusebius, der Bischof von Caesarea, war neidisch auf Jerusalems neue Bedeutung und bezweifelte, ob diese jüdische Stadt, die »nach der schrecklichen Ermordung des Herrn, die Gottlosigkeit seiner Einwohner mit völliger Verwüstung hatte büßen müssen«, die Stadt Gottes sein könne. Schließlich hatten die Christen Jerusalem dreihundert Jahre lang kaum Beachtung geschenkt. In einem Punkt hatte Eusebius allerdings recht: Konstantin musste sich mit dem Erbe der Juden befassen, da der Schöpfer des Neuen Jerusalem die Heiligkeit von den jüdischen Stätten auf seine neuen Heiligtümer lenken musste.
    Als die Römer noch viele Götter verehrten, duldeten sie andere, solange sie den Staat nicht bedrohten, aber eine monotheistische Religion verlangte die Anerkennung einer einzigen Wahrheit, eines einzigen Gottes. Die Verfolgung der jüdischen Christusmörder, deren Elend die christliche Wahrheit bestätigte, erlangte somit erhebliche Bedeutung. Konstantin befahl, alle Juden, die ihre Brüder am Übertritt zum Christentum hinderten, umgehend zu verbrennen. [89] In Jerusalem gab es jedoch noch über hundert Jahre lang eine kleine jüdische Gemeinde, die in einer Synagoge auf dem Berg Zion und heimlich auf dem verwüsteten Tempelberg betete. Nun verbannte Konstantin die verabscheuungswürdigen Juden, wie er sie nannte, aus Jerusalem; nur einmal im Jahr durften sie auf den Tempelberg, und dort sah der Bordeaux-Pilger sie über dem »durchlöcherten Stein« – dem Grundstein des Tempels, der heute vom Felsendom umgeben ist – »trauern und ihre Kleider zerreißen«.
    Den dreißigsten Jahrestag seines Amtsantritts feierte Konstantin in Jerusalem, obwohl er immer noch mit der Kontroverse zu kämpfen hatte, die der Unruhestifter Arius schürte – und das sogar noch, nachdem eine Explosion seiner Eingeweide ihn von dieser Welt gerissen hatte. [90] Als Konstantin eine Synode einberief, damit sie »sowohl die Kirche von jeder Schmähung befreit als auch mir meine Sorgen erleichtert«, boten die Arianer ihm wieder die Stirn und überschatteten das erste christliche Fest in Jerusalem, eine Versammlung

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