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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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von Bischöfen der ganzen Welt. Aber der Kaiser war zu krank, um daran teilzunehmen. Auf seinem Sterbebett ließ er sich 337 schließlich taufen und teilte das Reich unter seinen drei Söhnen und zwei Neffen auf. Einig waren sich seine Erben nur in der Fortführung des christlichen Reiches und dem Erlass weiterer antijüdischer Gesetze: Sie verboten 339 Mischehen mit Juden, die sie als »barbarische, abscheuliche Schande« bezeichneten.
    Konstantins Erben führten zwanzig Jahre lang einen Bürgerkrieg, den letztlich sein zweiter Sohn Konstantius gewann. Diese Wirren erschütterten Palästina. In Jerusalem ließ 351 ein Erdbeben alle Christen voller Ehrfurcht in die Grabeskirche flüchten. Als die galiläischen Juden unter der Führung eines messianischen Königs rebellierten, metzelte Gallus Caesar, der Vetter des Kaisers, sie so willkürlich nieder, dass selbst die Römer angewidert waren. Allerdings erhielten die Juden nun Mitgefühl von einer überraschenden Seite: Der Kaiser beschloss, die Macht des Christentums zu brechen – und den jüdischen Tempel wiederaufzubauen. [69]
    Julian der Abtrünnige: Restaurierung Jerusalems
    Am 19. Juli 362 fragte der neue Kaiser Julian, Konstantins Neffe, der sich auf dem Weg zu seinem Persienfeldzug in Antiochia befand, eine jüdische Gesandtschaft: »Warum opfert ihr nicht?«
    »Wir dürfen es nicht«, antworteten die Juden. »Lass uns wieder in die Stadt und baue den Tempel und den Altar wieder auf.«
    »Ich werde mich mit aller Kraft bemühen, den Tempel des allerhöchsten Gottes aufzubauen«, erwiderte Julian. Die erstaunliche Antwort des Kaisers wurde von den Juden mit solcher Begeisterung aufgenommen, dass es war, »als seien die Tage ihres Königreichs bereits gekommen«.
    Julian leitete eine Abkehr von den Verfolgungen Hadrians und Konstantins ein, gab den Juden Jerusalem und ihr Eigentum zurück, schaffte die antijüdische Besteuerung ab und übertrug ihrem Patriarchen Hillel Steuergewalt und den Titel des Prätorianerpräfekten. Aus der gesamten römischen und persischen Welt müssen Juden in Scharen nach Jerusalem geströmt sein, um dieses Wunder zu feiern. Sie nahmen den Tempelberg in Besitz und entfernten vermutlich die Statuen Hadrians und Antoninus’, um eine provisorische Synagoge zu bauen, vielleicht um die Steine herum, die der Bordeaux-Pilger als Haus König Hiskias bezeichnete.
    Julian war ein schüchterner, durchgeistigter und linkischer Mensch. Ein voreingenommener Christ erinnerte sich an seinen »merkwürdigen Hals, gekrümmte, zuckende Schultern, wild huschende Augen, eine hochnäsige Art durch die große Nase zu schnauben, das nervöse, unbeherrschte Lachen, den ständig nickenden Kopf und die stockende Sprache«. Aber der bärtige, stämmige Kaiser war auch entschlossen und zielstrebig. Er stellte den Paganismus wieder her, favorisierte den alten Schutzgott der Familie, den Sonnengott, förderte die traditionellen Opfer in heidnischen Tempeln und entließ die galiläischen Lehrer (wie er die christlichen Lehrer nannte), um den Einfluss ihrer verweichlichten, unrömischen Werte zu verringern.
    Julian hatte nie damit gerechnet, Kaiser zu werden. Er war erst fünf Jahre alt, als Konstantius Julians Vater und den größten Teil seiner Familie ermordete; nur zwei blieben übrig: Gallus und Julian. Konstantius ernannte Gallus 349 zum Cäsar, enthauptete ihn aber kurze Zeit später, teils wegen seiner unfähigen Niederschlagung einer jüdischen Revolte. Da er aber einen Cäsar im Westen seines Reiches brauchte, blieb nur noch ein Kandidat übrig. Julian, der damals in Athen Philosophie studierte, wurde Cäsar und regierte von Paris aus. Verständlicherweise war er nervös, als der unberechenbare Kaiser ihn zu sich zitierte. Inspiriert von einem Traum über Zeus nahm er von seinen Truppen die Kaiserkrone an. Als er ostwärts marschierte, starb Konstantius, und Julian war plötzlich Kaiser des gesamten Römischen Reiches.
    Mit dem Plan, den jüdischen Tempel wiederaufzubauen, demonstrierte Julian nicht nur seine Toleranz, sondern negierte auch den christlichen Anspruch, Erben des wahren Israel zu sein; er kehrte damit die Prophezeiungen Daniels und Jesu um, dass der Tempel fallen werde, und setzte ein Zeichen, dass es ihm ernst war, das Werk seines Onkels zunichte zu machen. Zudem brachte das Vorhaben ihm die Unterstützung der babylonischen Juden bei seinem geplanten Krieg gegen die Perser. Julian sah keinen Widerspruch zwischen griechischem Paganismus und

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