Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
jüdische Gemeinde. Ptolemäus und seine Nachfolger wurden Pharaonen von Ägypten; in Alexandria und im Mittelmeerraum galten sie als griechische Könige. Ptolemäus Soter – der »Erlöser«, wie er genannt wurde – übernahm die örtlichen Gottheiten Isis und Osiris und ägyptische Königstraditionen und stellte seine Dynastie als ägyptische Gottkönige wie auch als halbgöttliche griechische Könige dar. Er und seine Söhne eroberten Zypern, Kyrenaika, Teile Kleinasiens und der griechischen Inseln. Ihm war klar, dass nicht allein Prachtentfaltung, sondern auch Kultur ihm Legitimität und Größe verleihen würde. Also machte er Alexandria zur bedeutendsten griechischen Stadt der Welt, die vor Reichtum und Kultiviertheit prangte; er gründete ein Museum und die Bibliothek, engagierte griechische Gelehrte und ließ mit dem Leuchtturm Pharos eines der sieben Weltwunder bauen. Sein Reich hielt sich über dreihundert Jahre lang bis zum letzten Spross seiner Dynastie: Kleopatra.
Ptolemäus wurde über achtzig Jahre alt und schrieb eine Geschichte Alexanders des Großen. [33] Ptolemäus II. Philadelphos bevorzugte die Juden, entließ 120 000 jüdische Sklaven in die Freiheit und schickte Gold zur Verschönerung des Tempels. Er hatte Sinn für die Macht des Heidentums und des Spektakels. So hielt er 275 v.Chr. für eine kleine Zahl ausgewählter Gäste eine Parade im Namen des Dionysos, des Gottes des Weins und Überflusses, ab; neben Elefanten und Untertanen aus allen Teilen seines Reiches ließ er einen riesigen Weinschlauch aus Leopardenfellen mit 200 000 Gallonen Wein und einen 55 Meter langen und 2,70 Meter dicken Phallus an ihnen vorüberziehen. Ptolemäus II. sammelte leidenschaftlich Bücher. Als der Hohepriester die gut zwanzig Bücher des jüdischen Tanach nach Alexandria schickte, ließ der König sie ins Griechische übersetzen. [29] Er achtete die Gelehrsamkeit der Juden von Alexandria und lud sie zu einem Gastmahl ein, um über die Tanach-Übersetzung zu diskutieren. Der König versprach: »Alles wird gemäß euren Sitten und auch für mich übersetzt.« Angeblich fertigten 70 Gelehrte in 70 Tagen eine gleichlautende Übersetzung an. Diese Bibelübersetzung, Septuaginta genannt, veränderte die Geschichte Jerusalems und ermöglichte später die Ausbreitung des Christentums. Dank Alexander war Griechisch die internationale Sprache geworden; zum ersten Mal konnte nun praktisch jeder die Bibel lesen. [34]
Joseph, Sohn des Tobias
In Ptolemäus’ Reich blieb Jerusalem ein halbwegs unabhängiger Kleinstaat Juda und prägte eigene Münzen mit der Inschrift »Yehud«. Es war nicht nur eine politische Einheit, sondern Gottes eigene Stadt, die von Hohepriestern regiert wurde. Diese Sprösslinge des Onias leiteten ihre Abstammung auf den biblischen Priester Zadok zurück und hatten Gelegenheit, Macht und Reichtümer anzuhäufen, solange sie den Ptolemäern Abgaben zahlten. Der Hohepriester Onias II. versuchte jedoch, 20 Silbertalente zurückzuhalten, die er Ptolemäus III. Euergetes schuldete. Damit eröffnete sich einem jungen Juden mit guten Beziehungen eine Chance, die er nutzte, um den Hohepriester nicht nur in Jerusalem, sondern im gesamten Land auszumanövrieren.
Dieser Abenteurer war Joseph, der Neffe des Hohepriesters. [30] Er machte sich auf nach Alexandria, wo der König eine Versteigerung abhielt: Für die Befugnis, in bestimmten Territorien zu regieren und Steuern zu erheben, versprachen die Bieter, die höchsten Abgaben zu zahlen. Die syrischen Granden machten sich über den jungen Joseph lustig, aber er trickste sie mit ungeheurer Chuzpe aus. Es gelang ihm, vor der Versteigerung den König zu treffen und ihn mit seinem Charme zu umgarnen. Als Ptolemäus III. um Gebote bat, überbot Joseph seine Rivalen frech bei den gesamten Gebieten von Coele-Syrien, Phönizien, Juda und Samaria. Als der König Joseph nach den üblichen Bürgen für die versprochenen Abgaben fragte, antwortete der großspurige Jerusalemer: »Dich selbst, o König, und deine Gemahlin stelle ich als Bürgen.« Für diese Unverschämtheit hätte Ptolemäus ihn hinrichten lassen können, aber er lachte und willigte ein.
Joseph kehrte mit 2000 ägyptischen Soldaten nach Jerusalem zurück. Er hatte viel unter Beweis zu stellen. Als Askalon die Steuerzahlungen verweigerte, ließ er zwanzig führende Vertreter der Stadt töten. Askalon zahlte.
Joseph war wie sein Namensvetter in der Genesis mit seinem Spiel in Ägypten aufs Ganze
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