Jerusalem: Die Biographie (German Edition)
innerhalb der jüdischen Führung verschärften und die unter Geldknappheit leidenden makedonischen Könige anlockten. Der neue König von Asien, der wie sein Vater Antiochus hieß, eilte in die Hauptstadt Antiochia, trat die Thronfolge an und tötete alle Verwandten, die Thronansprüche erhoben. Antiochus IV. war in Rom und Athen aufgewachsen und hatte die unwiderstehlichen, glänzenden Talente seines Vaters geerbt, ähnelte aber in seiner gockelhaften Bedrohlichkeit und manischen Extravaganz eher dem wahnsinnigen Exhibitionismus Caligulas oder Neros.
Als Sohn eines ermordeten Großkönigs hatte er allzu viel zu beweisen. Antiochus war ebenso schön wie unausgeglichen und genoss die pompösen Hofrituale, ärgerte sich aber über die damit verbundenen Zwänge und brüstete sich mit seinem absoluten Recht, immer für Überraschungen zu sorgen. In Antiochia betrank der junge König sich in aller Öffentlichkeit, ließ sich in den Badehäusern baden und mit kostspieligen Tinkturen einreiben und freundete sich mit Dienstboten an. Als ein Beobachter sich über seinen verschwenderischen Umgang mit Myrrhe beklagte, befahl Antiochus, den Topf auf dem Kopf des Mannes zu zerschlagen, und löste damit Tumulte aus, weil die Menge die unbezahlbare Lotion retten wollte, während der König hysterisch lachte. Er liebte es, sich herauszuputzen, erschien mit Rosenkrone und goldenem Mantel auf der Straße, und wenn seine Untertanen ihn anstarrten, bewarf er sie mit Steinen. Nachts tauchte er verkleidet im Gassengewirr Antiochias unter. Wenn er sich Fremden gegenüber spontan freundlich zeigte, hatte sein Verhalten etwas von der Zärtlichkeit eines Panthers, denn plötzlich konnte er seine Krallen ausfahren und ebenso erbarmungslos wie genial sein.
Die Potentaten hellenistischer Zeit beriefen sich gewöhnlich auf ihre Abstammung von Herakles und anderen Göttern, aber Antiochus ging noch einen Schritt weiter. Er nannte sich Epiphanes, der erscheinende Gott, seine Untertanen gaben ihm allerdings den Spitznamen Epumanes, der Verrückte. Seine Verrücktheit hatte jedoch Methode, denn er hoffte, sein Reich durch eine gemeinsame Religion und die Verehrung eines gemeinsamen Königs zusammenzuschließen. Von seinen Untertanen erwartete er uneingeschränkt, dass sie ihre lokalen Götter weiter anbeteten, sie aber in den griechischen Pantheon und seinen eigenen Kult einordneten. Anders war es bei den Juden, die eine Hassliebe zur griechischen Kultur hegten. Sie sehnten sich nach der griechischen Zivilisation, lehnten ihre Dominanz aber ab. Laut Josephus sahen sie die Griechen als unzuverlässige, promiskuitive, modernisierende Leichtgewichte, aber viele Jerusalemer übernahmen bereits den modischen Lebensstil und benutzten sowohl griechische als auch jüdische Namen, um zu zeigen, dass sie beides sein konnten. Jüdische Konservative waren damit nicht einverstanden; für sie waren die Griechen Götzenanbeter, deren nackte Athleten sie abstießen.
Aus einem ersten Instinkt heraus unternahmen jüdische Granden einen Wettlauf nach Antiochia, um sich die Macht in Jerusalem zu sichern. Die Krise begann mit einer Familienfehde um Geld und Macht. Als der Hohepriester Onias III. dem König sein Gebot unterbreitete, überbot ihn sein Bruder Jason um 80 Talente und kehrte als Hohepriester mit dem Plan zurück, Jerusalem in eine griechische Polis umzuwandeln: Zu Ehren des Königs benannte er die Stadt um in Antiochia-Hierosolyma (Antiochia-in-Jerusalem), reduzierte die Geltung der Thora und baute vermutlich am Westhang gegenüber vom Tempel ein griechisches Gymnasion. Jasons Reformen waren recht populär. Junge Juden waren eifrig bedacht, im Gymnasion, wo sie bis auf eine griechische Kopfbedeckung nackt auftraten, modisch zu erscheinen. Irgendwie schafften sie es, ihre Beschneidung, das Zeichen ihres Bundes mit Gott, rückgängig zu machen und den Anschein zu erwecken, dass ihre Vorhaut wiederhergestellt sei, was sicher einen Triumph der Mode über den Komfort darstellte. Aber Jason wurde bei der Vergabe der Macht über Jerusalem selbst wieder überboten: Als er seinen Gefolgsmann Menelaos nach Antiochia schickte, um seinen Tribut abzuliefern, stahl dieser Gauner die Tempelgelder, überbot Jason und kaufte sich das Amt des Hohepriesters, obwohl ihm die erforderliche Abstammung von Zadok fehlte. Menelaos riss die Macht in Jerusalem an sich. Als die Jerusalemer Delegierte zum König schickten, um Protest einzulegen, ließ Antiochus sie hinrichten und nahm
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