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Jerusalem

Titel: Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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»Mach dich bereit! Gürte deine schlotternden Lenden! Wir müssen nach Xerigordon!«
    »Auf wessen Befehl?«, rief Rutgar. »Ist Kukupetros nach Civetot zurückgekommen?«
    »Nein. Ich erklär's dir gleich.«
    Rutgar kletterte hinunter, beruhigte die Fischer und Chersala und begrüßte Berenger. Zu seinem Erstaunen sah er im ersten Licht des Tages, dass Berenger halbwegs wie ein Seldschuke gekleidet und bewaffnet war. Am Sattelhorn hingen der Köcher und ein Türkenbogen in einer dreieckigen Lederhülle.
    »Du hast also herausgefunden, dass ich hier bin«, sagte Rutgar. Er war nicht im Mindesten überrascht. »Was gibt es aus den Dörfern um Nikaia und aus Civetot zu berichten?«
    »Hilf mir. Dann - hört zu. Ihr alle.«
    Er nickte den Fischern zu und verbeugte sich knapp vor Chersala. Die Steigbügel waren am Sattel des Saumpferdes, einer schlanken Stute, hochgebunden, in den schweren Mantelsäcken waren Proviant, türkische Kleidung, darunter zwei »Jaseran«-Rüstungen aus Leder mit aufgenähten Eisenschuppen, das Kettenhemd, zwei türkische Helme und Krummschwerter. Als die Tiere am Wassertrog standen, rieb sich Berenger die Augen und begann zu berichten.
    »Die Würdenträger und der Basileus haben erfahren, dass ein Heer die Grenze von Ungarn erreicht und König Koloman um freien Durchzug gebeten hat. Godefroi oder Gottfried von Bouillon, der Herzog von Niederlothringen, sagen die Boten, führt das Ritterheer an. Jedermann trägt ein rotes Kreuz auf seinem Kleid oder dem Mantel. Gottfried hat seine Gattin Godevère von Tosni, eine Normannin, und ihre kleinen Kinder bei sich. Ungefähr zur gleichen Zeit hat ein Bote in Konstantinopel berichtet, dass Ritter Reinhold oder Rainald, der Italiener, von Civetot aus die alte Festung Xerigordon ohne viel Gegenwehr erobert hat. Das weiß inzwischen auch Kukupetros.
    Über Hugo, den Grafen von Vermandois und Bruder des Königs von Frankreich, hat der Basileus inzwischen erfahren können, dass er sich im italienischen Hafen Bari einschiffen will, zusammen mit dem Normannen Wilhelm, einem Enkel des Robert Guiscard. Alexios Komnenos, der nur wenige eigene Truppen befehligt, wird von furchtbaren Albträumen heimgesucht, sagt man.«
    Berenger fasste mit beiden Händen eine Schale Sud, den Chersala aus dem Kessel geschöpft hatte, warf ihr einen strahlenden Blick zu und sagte: »Danke, Schönste«, und nahm einen durstigen Schluck.
    »Die Waräger-Garden des Kaisers«, fuhr er fort, »aus Angelsachsen, und die Petschenegen-Truppe haben zwar die Paläste und die Stadt Konstantinopel gegen die kaum bewaffneten Pilger des Kukupetros schützen können; gegen ein Heer aus kampfgewohnten Fürsten sind sie machtlos.
    Die Nachrichten aus dem Grenzland und aus Kibotos sind verwirrend.« Berenger lachte laut und leerte durstig die Schale. »Die Gelehrten des Basileus vermuten, dass weiterhin Wirrwarr herrschen wird, denn nach alter Rechnung hat für die rhomäischen Christen am ersten Tag des Herbstmonds das Jahr 6605 nach Erschaffung der Welt begonnen, und das muss irgendein besonderes Datum sein - in unserer Heimat rechnet man mit anderen Zahlen. Weil Alexios erfahren will, was in Nikaia und Xerigordon und Civetot und überhaupt geschieht, muss ich dorthin reiten.«
    Er grinste und deutete auf das erbeutete Reittier.
    »Und weil du ein schneller Reiter und ein leidlich guter Krieger bist, habe ich dich als Begleiter erwählt.« Plötzlich wurde er ernst. »War ein guter Kampf, Ritterlein. Bitte, hilf mir. Reite mit mir nach Xerigordon.«
    »Alles ansehen? Nicht kämpfen?«, sagte Rutgar.
    »Kämpfen nur, wenn wir müssen. Alles aus dem Versteck mit ansehen.«
    »Ich komme mit dir«, sagte Rutgar.
    Faroard und die Fischer hatten schweigend zugehört. Jetzt sagte der alte Fischer stockend: »Der Sultan zögert, die Franken zu bekriegen. Wenn seine Anführer sicher sind, die Ritter töten zu können, werden sie's tun. Im Land gibt's hundert Stellen, wo sich die Seldschuken verstecken können.« Er deutete auf Berenger, Chersala und Rutgar und fuhr fort: »Wollt ihr den Rat eines alten Mannes? Ja? Haltet euch fern von den Raubrittern und ihren Spießknechten. Sonst sterbt ihr mit ihnen.«
    »Ein guter Rat«, antwortete Rutgar. »Für mich hab ich mich entschlossen. Ich reite nicht mit dem wüsten Haufen.«
    »Und für mich hat sich der Basileus etwas anderes ausgedacht.« Berenger grinste kalt. »Ich soll in Konstantinopel darüber berichten.«
    »Soll ich mich im Wald verstecken?«,

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