Jerusalem
und besetzten die Hänge des steilen Tals.
Eine halbe Stunde danach lagen Straße und Brücke wieder verlassen da. Die Sonne stieg, die Wolken warfen riesige Schatten über das Land, die nach Osten huschten. Die Besatzer Xerigordons wussten, dass sie einer Belagerung ohne ausreichend Wasser nicht lange würden standhalten können. Sie fuhren fort, jedes brauchbare Behältnis innerhalb der Mauern mit Wasser zu füllen, und die Späher hielten in steigender Besorgnis Ausschau nach der Streitmacht des Sultans.
Rainald kannte die Umgebung Xerigordons inzwischen gut genug. Er wusste, dass jenseits der Enden der Schlucht vielleicht einzelne Krieger durch die Wirrnis aus Felsen und Gebüsch zu den Mauern vordringen konnten. Aber keineswegs ein berittenes Heer. Überdies verhinderten Felsschroffen einen Angriff auf die Festung. Der einzige Weg, der ohne große Mühe zu begehen war, führte über die Brücke. Sie spielte im Plan Rainalds eine bedeutende Rolle.
Ungeduldig warteten er und seine Männer, bereit, mit den Reitern von beiden Seiten das fremde Heer anzugreifen und, die Unordnung ausnutzend, die Türken von Fußkämpfern niedermachen zu lassen.
Mit gellendem Feldgeschrei galoppierte eine Abteilung von mehr als zwölf Dutzend Seldschuken auf die Brücke zu. Ihre Bogen waren gespannt, Pfeile steckten auf den Sehnen, die Spitzen der turbanumwickelten Helme blitzten. Als der Hufschlag der ersten Reiter auf den Brückenbohlen dröhnte und zu beiden Seiten die Anführer ihre Schwerter zum Angriffsbefehl in die Höhe rissen und die Pferde spornten, hielten alle türkischen Reiter fast gleichzeitig an, wendeten die Pferde, warteten einige Atemzüge und galoppierten langsamer zurück.
Die fränkischen Reiter brachen aus dem Versteck hervor, sahen die Seldschuken nur einen Bogenschuss weit an sich vorbeireiten, rissen ihre Pferde herum und verfolgten sie. Hinter ihnen sprangen die Fußkämpfer zwischen Büschen und Felsen hervor. Die türkischen Reiter flüchteten schreiend auf Nikaia zu, galoppierten auf dem Bogen des Sandwegs nach rechts und ritten in die Gassen hinein, die in einer Mauer wartender Bogenschützen aufsprangen. Hinter den Reitern schloss sich der Wall schussbereiter Bogenschützen. Einige scharfe Schreie gellten vor den Mauern. Hunderte Pfeile heulten durch die Luft, kamen scheinbar aus der Sonne, hagelten auf Rainald und seine Reiter nieder und hämmerten in die Schilde. Getroffene Pferde wieherten kreischend und warfen ihre Reiter ab.
»Zurück!«, brüllte Rainald und ließ sein Pferd aufsteigen, riss es herum und schützte sich mit dem Schild. »Es sind zu viele!«
An den Rändern der Kampflinie versuchten fränkische Fußkämpfer, Seldschuken aus dem Sattel zu reißen und zu erschlagen. Sultan Arslans Bogenschützen schossen ihre Pfeile mit bestürzender Treffsicherheit aus sicherem Abstand oder aus ihren Verstecken. Die christlichen Ritter, manche blutend auf dem Pferderücken, bildeten eine Verteidigungslinie; jeder seldschukische Reiter, der den Gepanzerten zu nahe kam, starb durch das Schwert oder die Lanze. Die Verwundeten und ein Teil der Fußkämpfer rannten zum Tor Xerigordons.
In Viererreihen galoppierten die Seldschuken über die Brücke. Nur das Kampfgetümmel vor den Schilden der zurückweichenden Ritter schützte die Flüchtigen und ermöglichte den Fußkämpfern, sich kämpfend zurückzuziehen. Die ersten Reiter, an denen sich Verwundete festhielten, trieben ihre Pferde den Hang aufwärts; auf den Mauerkronen brüllten und schrien die Verteidiger und versuchten, mit Pfeilschüssen die Türken zu treffen. Auf manchen Pferden saßen zwei Reiter, am Boden keilten verwundete Tiere dumpf wiehernd mit den Läufen. Ritter Rainald sprengte als Hinterster seiner Reiter hin und her, sein Schwert hob und senkte sich blitzschnell, sein Schild starrte von abgebrochenen Pfeilen. Immer wieder gelang es kleinen Gruppen der Franken, sich zu sammeln und Widerstand zu leisten, und zur gleichen Zeit konnten sich ebenso viele in die Festung retten; keuchend, schweißüberströmt, blutend, mit zerbrochenen Waffen.
Rainald sah sich um, stieß sein blutiges Schwert senkrecht hoch und schrie, so laut er konnte:
»Ein letzter Angriff! Danach zurück hinter die Mauern!«
Vielleicht sechzig Ritter sammelten sich zu einem wirren Haufen, bildeten einen Kreis, senkten die Schilde und hielten die Lanzen stoßbereit. Sie spornten die Pferde und galoppierten Schulter an Schulter auf die Seldschuken zu, deren
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