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Jerusalem

Titel: Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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anderen zeigen, wohin sie sich flüchten sollen; Peter würde es nicht anders wollen!«
    »Wenn du meinst ...« Der Kuttenträger starrte Rutgar an, als habe er einen Geist vor sich - oder einen Engel Gottes. »Aber schaden kann es nicht. Die Maus merkt sich die Wege, auf denen sie den Zähnen der Katze entkommt.«
    »Bald stürzen sich tausend türkische Katzen auf uns«, sagte Rutgar schroff. Er wandte den Kopf. »Und was soll dieses Geschrei dort oben bedeuten?«
    Gansbold runzelte die Stirn. »Das sind welche von unseren Reitern.«
    »Vielleicht erfahren wir jetzt, was wirklich in Nikaia geschehen ist.«
    Den Rappen am Halfter führend, ging Rutgar mit Gansbold zum südlichen Tor Civetots. Drei verwundete Reiter wurden von ihren erschöpften Pferden gehoben; es waren Männer, die mit Rainald geritten waren. Als sie sich erholt hatten, berichteten sie.
    Rainalds Heer hatte zwar Verpflegung in den Dörfern geraubt, und die Festung Xerigordon war ohne Gegenwehr in die Hände der Christen gefallen; ein Ort, der gut zu verteidigen war. Die drei konnten mit Gottes Hilfe lebend dem Kampf gegen die Übermacht entkommen - Rainald hatte sich in Xerigordon verschanzt, mit mehr als fünftausend Männern, und von den Mauern sahen sie den Belagerungsring, den Brunnen und den Weg zur Quelle.
    »Dann müssen wir sofort aufbrechen!«, rief ein Bewaffneter. Rutgar drehte sich um; er erkannte Gottfried Burel. »Die Besatzung von Nikaia verstärken, Xerigordon befreien und an der Beute teilnehmen!«
    »Halt! Langsam!« Walter Sans-Avoir drängte sich in den Kreis. »Zuerst nachdenken und alles bereden. Warum diese verderbliche Eile?«
    Es ging wie ein Lauffeuer durch die Menge der Ritter und der Pilger. Viele jener Männer, die reitend oder zu Fuß das Land auf der Suche nach Proviant durchstreift hatten, rotteten sich zusammen und feuerten sich gegenseitig an. Sie wollten augenblicklich, in einigen Stunden oder erst morgen beim ersten Lichtschein aufbrechen. Die Worte der gefangenen Seldschuken machten immer noch die Runde. Die Aussicht auf Beute war schwer aus den gierigen Herzen zu verdrängen.
    »Wenn ihr auf den bekannten Straßen nach Nikaia reitet«, rief einer der drei verwundeten Reiter beschwörend, »werdet ihr auf die Türken stoßen! Wir haben Nikaia nicht angegriffen, geschweige denn erobert. Das Heer des Sultans ist riesengroß!«
    »Wir müssen Xerigordon entsetzen! Ritter Rainalds Männer verdursten, und wir leben hier in Prasserei!«, schrie Borel.
    Rainhold von Breis und Walter Sans-Avoir überstimmten ihn.
    »Ruft den Heeresrat zusammen, schnell; alle Ritter! Deutsche, Franzosen und Italiener!«
    »Noch heute. Um Mittag!«
    Gansbold und Rutgar ließen sich schweigend von der Menge mitziehen und hörten zu, was die schmerzhafte Befragung der gefangenen Seldschuken erbrachte. Logen die Türken trotz der Schmerzen? Wo blieb die Wahrheit?
    Angeblich verhielt es sich so: Sultan Kilidsch Arslan hatte seinen besten Heerführer an die Spitze des riesigen Heeres gesetzt. Die Truppen hatten sich gesammelt und waren nach Nikaia gezogen, hatten den Hinterhalt Rainalds durchschaut und belagerten Xerigordon. Ein Teil des Heeres hatte den Belagerungsring verlassen und war mit unbekanntem Ziel und mit neuen Befehlen davongeritten. Die türkischen Späher kannten dieses Ziel angeblich nicht.
    Rutgar legte die Hand auf die Schulter des Priesters und sagte: »Die Türken besuchen nicht die Grenzdörfchen, sondern sie suchen uns. Wohin reiten sie wohl?«
    »Vielleicht hierher?«, sagte Gansbold düster. »Nach Civetot.«
    »Wenn sie erst einmal Xerigordon zurückerobert haben, wird auch die andere Hälfte ihres Heeres ihnen hierher folgen.«
    »Gott wird uns schützen.«
    »Er schützt nur die Mutigen«, antwortete Rutgar, »die erkannt haben, wohin sie flüchten können. Also: Komm mit. Ich zeige dir den Weg.«
    Er führte den Priester zum nördlichen Tor, zog Gansbold auf den Pferderücken und ritt langsam bis an die Stelle, von der aus zu sehen war, wie Faroards Boot winzig klein zwischen die Quader des halb überfluteten Hafens einfuhr. Das gelbbraune Dreieckssegel fiel zusammen.
    »Siehst du's?«, sagte Rutgar. Der Priester nickte, blickte danach aufs Meer hinaus, musterte den gestrüppüberwucherten Felshang und murmelte ein Gebet. »Nun weiß ich Bescheid, Rutgar. Wenn doch nur Peter wieder bei uns wäre und uns führen würde. Ein Bote, der auf dem Schiff war, hat es versprochen. Binnen einer Woche will Peter in Civetot

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