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Jerusalem

Titel: Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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und morgen auch nicht.«
    Sechstausend Mann und Rainald, Ritter, Priester und etliche Bischöfe waren in Xerigordon eingeschlossen. Entweder ergaben sie sich, oder sie starben eines grässlichen Todes. Wenn sie sich ergaben ... Rutgar weigerte sich, den Gedanken zu Ende zu denken. Er beobachtete weiter, wie das türkische Heer außerhalb der Reichweite der fränkischen Bogenschützen in aller Ruhe den Belagerungsring zu schließen begann.

Kapitel XV
 
A.D. 1096, 8.T AG IM W EINMOND (O KTOBER ),
AM M ORGEN
X ERIGORDON
 
»Wenn jemand mit dem Schwert tötet, der muss mit dem Schwert getötet werden.«
(Offb 13,9)
 
    Der neunte Morgen dämmerte über Xerigordon. Ritter Rainald, der neben seinem Waffenmeister auf der Plattform des Torturms eine Nacht aus Durst und Albträumen verbracht hatte, fühlte, wie das Fieber stieg. Er steckte den Ärmel zwischen die rissigen Lippen, begann den Stoff zu kauen und entlockte seiner Zunge und dem Rachen so viel Feuchtigkeit, dass er krächzend zu sprechen vermochte.
    »Da, Herr«, röchelte Meister Piero und deutete mit zitternden Fingern zum Pfad, der vom Brunnen zum Tor führte. Ein Mann in schmutzigen Binden, eine Krücke unter der Achsel, offensichtlich ein Pilger, stand vor dem Tor. Als er winkte, brach eine Kopfwunde auf und blutete durch den Stirnverband.
    »Hört, Ritter Rainald«, verstanden die Männer auf den Wehrgängen. »Der Anführer ist gnädig. Er schenkt uns das Leben - kommt herunter.«
    »Hören wir uns an«, sagte Rainald mit Mühe, »was er zu sagen hat.«
    Das Tor wurde geöffnet, der Pilger humpelte näher und lehnte sich schwer atmend gegen die Bohlen.
    »Wer dem wahren Christenglauben abschwört, bleibt am Leben. Das beschwört der Herr der Truppen. Wer dem Glauben treu bleiben will, mag kämpfen, sagt er, aber niemand von denen wird überleben.«
    »Hast du Wasser bei dir?« Rainald starrte über die Schulter des Mannes, der den Kopf schüttelte und zu taumeln begann, zum Brunnen. Dort tränkten die Seldschuken, ohne die Männer am offenen Tor zu beachten, aufreizend gleichgültig ihre Pferde.
    »Nein. Abschwören und leben, Herr Graf, oder sterben?«, sagte der Gefangene stöhnend. »Er will es in zwei Stunden wissen.«
    Waffenmeister Piero zuckte zusammen und starrte Rainald mit flackernden Blicken an, als der Ritter antwortete:
    »Sag ihm, ich schwöre ab. Die Männer, die mit mir aus der Festung kommen, wollen ebenso ... überleben.«
    »Ich sag's ihm.«
    Der Herold humpelte den Hang hinunter. Zwei Türken packten ihn, bevor er fiel, unter den Armen und schleppten ihn weg.
    Die Verzweifelten, die sich am geöffneten Tor drängten, hatten verstanden. Rainald wiederholte die Antwort, die er dem Verwundeten gegeben hatte. Dann zog er sein Schwert, hob es an der Schneide wie ein Kreuz hoch und wartete, bis die meisten Eingeschlossenen ihn und das heilige Zeichen anblickten. Dann sagte er so laut, wie er konnte:
    »Gott kennt die Seinen. In seinem herrlichen Namen! Wir brechen keinen Eid, wenn wir die Heiden täuschen. Sattelt die Pferde, bewaffnet euch - wir verlassen die Festung so stolz, wie wir sie erobert haben.«
    Mit müden Bewegungen legten die Pilger die Sättel auf die Rücken der ausgemergelten Pferde, jene, die den Durst der Eingeschlossenen überlebt hatten, zerrten die Bauchgurte fest, schlossen die Schnallen ihrer Schwertgehänge, setzten die Helme auf und hoben die Schilde und Lanzen. Rainald versuchte dreimal vergeblich, sich in den Sattel zu ziehen. Erst als Willem ihm half, schaffte er es, und er ritt als Erster durchs Tor. Als er sich am Fuß des Hügels umdrehte, sah er, dass sich ungefähr die Hälfte seines Heeres ihm angeschlossen hatte. Die Männer stolperten und schwankten, hielten sich aneinander fest, taumelten und starrten hohläugig auf den Brunnen.
    Die Seldschuken schienen vor den elenden, drecküberkrusteten Männern mit den fiebrigen Blicken zu erschrecken. Sie wichen zurück und öffneten eine Gasse zu den steinernen Trögen.
    Einige Atemzüge danach fingen diejenigen unter den Kreuzfahrern, die noch kräftig genug waren, zu rennen an. Die Pferde drängten keuchend und gurgelnd zum Trog. Rainald ließ sich aus dem Sattel gleiten und schöpfte mit beiden Händen Wasser, trank keuchend, fühlte kaltes Wasser auf der Haut und in den Haaren und achtete nicht auf den grauen Schleim, der aus seinem Bart lief. Seine Männer rempelten einander zur Seite, die Pferde keilten aus, ein furchtbarer Wirrwarr entstand. Durch den Lärm

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