Jerusalem
Passhöhe entgegen, von deren Bäumen schwere Tropfen fielen, regte sich die Furcht in den Herzen der Männer. Als einzelne Bewaffnete ihre alten Lieder anstimmten, begannen viele Marschierer mitzusingen. Hin und wieder stieß ein Fanfarenbläser in sein Rohr.
Das Lärmen hatte Berenger, Chersala und Rutgar geweckt. Sie glaubten sicher zu wissen, was es zu bedeuten hatte. In aller Eile sattelten sie die Pferde und ritten zu einem ihrer Verstecke an der Drakon-Schlucht. Dort, wo die Straße nach Nikaia aus dem bewaldeten Tal wieder in die Höhe führte, sahen sie die Hinterhalte der Türken.
Bevor sie die Straße im Galopp überquerten, rief Berenger: »Seht nach links! Es ist zu spät, sie zu warnen!«
Die Berittenen, vom Geschrei und Gesang der Volksmenge vorangetragen, hatten den tiefsten Punkt der Straße erreicht und ritten in Schlangenlinien die leichte Anhöhe herauf. Rutgar erhaschte einen Blick auf Lanzen, Fahnen, Schilde und Rüstungen, auf nickende Pferdeköpfe und eine schier unübersehbar große Menschenmenge, dann war er im Schutz des Waldes.
Als er die Angriffsschreie der Türken hörte, drei Meilen von Civetot entfernt, war das Verhängnis bereits nicht mehr aufzuhalten.
Die sechs Marschsäulen, angeführt von den fünfhundert Männern zu Pferde, schoben sich singend, lärmend, unter dem Dröhnen der Trommeln und dem Schmettern der Trompeten unaufhaltsam nach Süden.
Nach tausend Schritten auf dem Schlängelweg, als die Straße sich gegen das Schluchtende zu weitete, noch immer zwischen Wald und Felsen, erspähte Graf Gottfried Burel unter der Stirnblende seines Helms hervor einen goldfarbenen Blitz, schräg oberhalb des taufeuchten Hanges, an dem er entlangritt. Ein Sonnenstrahl fing sich auf glänzendem Metall.
Der Ritter holte tief Luft, seine Hand fuhr zum Schwertgriff. Er zog am Zügel, sein Pferd blieb stehen und senkte den Kopf. Noch bevor Gottfried eine Warnung schreien konnte, sah er eine zweite, dritte und plötzlich viele Spiegelungen; der Feind verbarg sich an den Rändern der Schlucht.
»Die Türken!«, brüllte Gottfried, riss das Schwert aus der Scheide und drehte den Kopf hin und her. Überall sah er halb schattenhafte Gestalten. »Hoch die Schilde!«
Seine Worte gingen in einem schrecklichen Geräusch unter. Jedermann im Heer kannte und fürchtete es. Pfeile! Die Geschosse zuckten einzeln durch die Luft, in Gruppen, in Schauern und pfeifenden kleinen Wolken. Sie kamen heulend von allen Seiten, zugleich mit den trillernden Angriffsschreien der Seldschuken. Der Anprall von unzählbar vielen Sehnen an die ledernen oder metallenen Armschutze war wie ein fernes Tagesungewitter und lauter als das plätschernde Murmeln des Flusses, an dem das Heer seit einer Stunde entlanggezogen war.
Die Bewaffneten waren in den Hinterhalt der Seldschuken geraten. Langsam und unerbittlich schloss sich die Falle.
Pfeile töteten und verwundeten Männer, bohrten sich in Baumstämme und in den Boden, trafen die Pferde, die sich aufbäumten und deren Wiehern in grelle Schmerzenslaute überging, hämmerten in Schilde und gegen Helme oder blieben in den Maschen der Kettenhemden stecken.
Unbeschreiblicher Lärm brach aus. Die Ritter sprengten auseinander, aus tiefen Wunden lief Blut über die Körper der Reittiere. Einen Atemzug später - gerade genug Zeit für einen Bogenschützen, einen weiteren Pfeil auf die Sehne zu setzen und zu zielen - kam der nächste Pfeilhagel. Es war sinnlos, einen Angriff zu reiten; die Hänge waren zu steil, und ständig veränderten die meist unsichtbaren Bogenschützen ihren Standort.
»Zurück!«, schrie Gottfried Burel. Drei Pfeile steckten in seinem Körper, aber er spürte noch keinen Schmerz. Er riss am Zügel und setzte die Sporen tief ein. Auch im Hals des Pferdes federten zwei lange Pfeile. »Ins Lager! Nach Civetot!«
Die gesamte Straße entlang rannten Männer hin und her, die Schilde voller abgebrochener Pfeile. Pferdekörper lagen da; die Tiere schlugen mit den Läufen, und die auskeilenden Hufe zerschmetterten die Beine der rennenden Krieger.
Die Trommeln schwiegen. Die Trompeter bliesen angstvolle Signale zur Rückkehr, zum Abbruch des Kampfes. Gottfried Burels Pferd setzte über die Körper einiger Toter hinweg. Ein rasender Schmerz traf ihn in die Schulter, ein Pfeil schlug in seinen Oberschenkel, ein zweiter prallte dröhnend vom Helm ab. Überall war Blut, waren Stöhnen, Wimmern, Geschrei und Heulen.
Abgeworfene Reiter versuchten, wieder in
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