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Jerusalem

Titel: Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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Duftwässer vertrieben worden, und da in den Gewölben der muslimischen Häuser wenig Wein gefunden worden war, gab es auch keine Trunkenen, die grölten oder lauthals schnarchten.
    Auch von draußen her drang kein Lärm mehr herein, nur die üblichen Geräusche einer schlafenden Stadt. Nach der ganzen Orgie des Mordens schlief Jerusalem den Schlaf des Todes und der Erschöpfung.
    »Ich weiß es nicht.« Er zuckte mit den Schultern. »Er weiß es selbst noch nicht, glaube ich.«
    Berengers Männer hatten sich entschlossen, mit einem Schiff des Basileus nach Konstantinopel zurückzukehren. Konstantinopel lag näher als die Provençe; Chersala und Rutgar würden sich anderen bewaffneten Pilgern anschließen müssen.
    »Aber ich werde mit dir kommen, das weißt du«, bekräftigte Chersala und nahm ihm einen Becher aus der Hand. »Und ich weiß es auch. Aber auch darüber haben wir so oft geredet.«
    Über alles hatten sie geredet. Wog der Schmerz Chersalas, Vater, Bruder und Schwester in Drakon nie wiederzusehen, den Bau der weißen Burg in der Provençe auf? Würde der Reichtum ihr Leben verändern? Würde er von Bestand sein? War die Liebe beständig? Daran zweifelten weder Chersala noch Rutgar. Alles andere blieb unsicher. Schon der nächste Tag konnte vieles ändern.
    Sie leerten die Becher, redeten noch ein wenig miteinander und schliefen aneinandergeschmiegt ein. Am späten Morgen weckte sie Berenger; Unruhe und Aufregungen begannen aufs Neue.
 
    Während die Anführer der Kreuzfahrer zerstritten und ihre Heere zerstreut waren und Gottfried alle Hände damit zu tun hatte, seine Herrschaft in der Stadt zu festigen, erhielten die Franken die Nachricht, dass viele muslimische Schiffe und ein riesiges Heer unter dem Befehl des Fatimiden-Wesirs Al-Afdal bei Askalon gesehen worden waren.
    »Ein Dutzend von uns soll das ägyptische Heer ausspähen«, sagte Berenger und wies seine Kundschafter an, die Pferde zu satteln und sich zu bewaffnen.
    Berenger, Rutgar und zehn Kundschafter beluden einige Saumpferde mit der nötigen Ausrüstung, schwangen sich in die Sättel und ließen die anderen zu Chersalas und des genesenden Spähers Sicherheit in Jerusalem zurück, wo auch ein Großteil ihrer Beute zurückblieb.

Kapitel XXXI
 
A.D. 1099, 9. T AG DES E RNTEMONDS (A UGUST )
B EI R AMLA , A SKALON UND IN J ERUSALEM
 
»Lass meine Seele leben, auf dass sie dich lobe.«
(Ps 119,175)
 
    Auf der Straße zur Küste, inmitten üppiger Pflanzungen und Felder, eine Wegstunde vor Ramla, trafen die Kundschafter auf das kleine Heer von Tancred und Eustachius, das in Eilmärschen nach Süden geeilt war. Wenn sich das ägyptische Heer näherte, sagten sich Rutgar und Berenger, würde Al-Afdal Späher vorausschicken, ebenso, wie es die Christen taten. Rutgar übergab die Fahne und die Zügel der Saumpferde an Tancreds Unterführer. Späher sprengten davon und bildeten eine auseinandergezogene Linie. Hundert Atemzüge später schienen sie zwischen Büschen und Hainen verschwunden zu sein.
    Zwei Stunden später sah Rutgar gespiegelte Sonnenstrahlen in einem Takt, den er kannte. Er ritt im Trab in die Richtung auf die Signale, durch Weiden, entlang fruchtbarer Felder und kleiner Obstwäldchen. Neben ihm kamen andere Kundschafter herangeritten, deuteten auf das grelle Flackern und winkten. Auch sie galoppierten auf einige einzeln stehende Häuser zu, deren gelbe Mauern sich hinter den Stämmen von Palmen und Tamarisken zeigten. Berenger und Hadmar saßen am gemauerten Rand eines Ziehbrunnens. Rutgar stieg aus dem Sattel, grüßte Berenger und sah sich um. Drei Männer mit bloßen Oberkörpern waren an Palmenstämme gebunden.
    »Späher von Al-Afdal«, erklärte Berenger knapp. »Wir haben sie nachdrücklich befragt.«
    »Ich zweifle nicht daran, dass du Antworten bekommen hast«, sagte Rutgar. Die Kundschafter brachten ihre Pferde zum Brunnen und warteten schweigend. »Was plant Al-Afdal?«
    »Er wartet auf seine Flotte«, antwortete Berenger, stand auf und packte den Zügel seines Rappen. »Und auf Nachschub an Proviant und dem Übrigen. Er glaubt nicht, dass ihn die Franken angreifen. Noch nicht.« Berenger winkte Hadmar und sagte zu Rutgar: »Ich reite zu Tancred und den anderen. Du räumst hier auf und folgst mir. Stoßt ihr auf andere Späher ... gefangen nehmen. Es eilt, dünkt mich.«
    »Wo treffen wir dich?«, wollte Rutgar wissen.
    »Zwischen hier und Jerusalem. Zuerst in Ramla.« Berenger stieg in den Sattel und nahm die Zügel

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