Jerusalem
versteckt, sogar eine Hand voll Edelsteine. Er ließ sich nachschenken und blickte träumerisch zu den Sternen auf.
»Herzog Gottfried von Bouillon und Tancred verbleiben etwa dreihundert Ritter und zweitausend Fußsoldaten, um die Heilige Stadt schützen«, sagte er und nahm einen kräftigen Schluck. Obwohl der Qur'ān den Muslimen den Genuss von Wein verbot, fanden sich in der Beute immer wieder Krüge und Ziegenbälge mit schwerem, süßem Wein, den man verdünnen musste, um ihn trinken zu können. »Ich werde mit euch in die Heimat zurückreisen.«
Das Reich Christi umfasste Jerusalem, Jaffa, Ramla, Hebron und Bethlehem. Eine der ersten Aufgaben würde sein, die schadhaft gewordenen Mauern der Heiligen Stadt wiederaufzubauen.
»Das ist besprochen, Thybold.« Jean-Rutgar hielt Chersalas Hand. »Wir reiten mit den Rittern aus Burgund, Aquitanien, dem Languedoc und der Provençe, also mit Einauge Raimund. Toulouse, Toulouse!«
Berenger saß unbewegten Gesichts, dicke Kissen unter sich, auf dem Boden und lehnte an der Brüstung. Er hob die Hand und sprach seine drei Freunde gleichermaßen an. »Ich will euch nicht mehr länger im Ungewissen lassen, Freunde.« Seine Stimme klang rau; Rutgar kannte den Tonfall und wusste, dass sich der Waräger endgültig entschlossen hatte. »Ich stehe im Sold des Basileus und habe ihm einen Eid geschworen. Ich bringe meine Männer nach Konstantinopel zurück. Unversehrt, wenn's möglich ist.« Er wartete, bis Chersala seinen Becher aus dem schweren Krug gefüllt hatte. »Danach bin ich frei«, fuhr er fort und grinste. »Und reich. Also, haltet in eurer Burg ein Turmzimmer frei für mich.«
»Nun wissen wir's«, antwortete Chersala lächelnd. »Es wird seine Zeit brauchen, bis die beiden die Ruine wiederaufgebaut haben werden.«
»Es wird dauern, bis ich euch in der Provençe finde«, bekräftigte Berenger. »Zu Schiff, nicht im Sattel.«
»Gleiches gilt für uns«, antwortete Rutgar. »Ich hoffe nur, dass die Heimreise weniger lange dauert als der Weg hierher.«
»Wenn die Ritter einen sicheren Hafen gefunden haben und gute Schiffe, wird es uns auch gelingen«, sagte Chersala. »Wir reiten nicht allein.«
Sie wiederholte, was schon oft beredet worden war. Die Unsicherheit war groß, denn es schien den Freunden, dass Jerusalem ein sehr viel wichtigeres Ziel gewesen war als die Städte und Länder der Heimat. Auch für Chersala, Rutgar und Thybold, nicht nur für die vielen Tausende. Obwohl sie erst in etlichen Tagen aufbrechen würden, dachten sie unausgesetzt an Abschied und an endlose Mühen und an unerwartete Kämpfe. Die Burgruine Beausoleil stand in ihren Träumen weiß und leuchtend als erlesene Schönheit winzig am Horizont.
Zu Beginn des Herbstmonds leerte sich innerhalb einer Stunde das Haus. Die Schar, die Berenger befehligte, folgte Raimund von Toulouse, Robert von der Normandie und Robert von Flandern. Einige Scharen aus Gottfrieds Gefolge ritten mit ihnen hinter der Fahne des Grafen von Flandern, darunter Balduin von Le Bourg. Saumpferde trugen die Zelte und die Ausrüstung des Lagers, die Sklaven saßen auf erbeuteten Pferden. Niemand von den Bewohnern Jerusalems, die dem Auszug der kleinen Heereshaufen zusahen, hielt die Kundschafter auf. Sie ritten durch das Blumentor und folgten der Straße, auf der vor ihnen einige Tausend Pilger wanderten, die ihre Gelübde für erfüllt hielten. Ihr fernes Ziel war Laodicea zwischen Tripolis und Antiochia, die Robert von der Normandie während der Belagerung Antiochias eingenommen hatte.
In Arsuf ließ Berenger die Muslime frei, beschenkte sie mit einer Handvoll Silbermünzen und erleichterte sein Gewissen dadurch, dass sie von anderen Muslimen aufgenommen wurden. An Caesarea und Akkon vorbei - an der Küste sahen sie nur Fischerboote, aber keine Schiffe aus Genua oder solche des Basileus. Die Muslime ließen die Christen ihres Weges ziehen, brachten dem Heer Proviant und Wasser und griffen nicht an; trotz der Mühsal trockener Straßen und zahlreicher Lager blieb der Ritt ein erträgliches Unterfangen. Doch als sie sich der Mündung des Orontes näherten, erreichte die Fürsten eine Nachricht, die sie bestürzte.
Eine pisanische Flotte hatte Raubüberfälle auf die Inseln Korfu, Leukas, Kephalonia und Zante unternommen und war, als es der Basileus erfuhr, von dessen Flotte verfolgt worden. Tatikios selbst befehligte die Schiffe der Rhomäer und hatte versucht, die Pisaner zu stellen. Er konnte zwar ein Schiff
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