Jerusalem
erbeuten, aber ein Sturm half den Pisanern, zu entkommen. Als sie an Zypern zu landen versuchten, vertrieb sie der dortige Statthalter Konstantinopels. Die Pisaner, eine wüste Horde Seeräuber, segelten weiter zur Küste Syriens.
Dort versuchte Bohemund, der Herr Antiochias, die Stadt Latakia anzugreifen, um sie in seinen Besitz zu bringen. Bohemund hoffte, sich durch die Eroberung der Stadt den Weg zum Meer zu sichern, und verbündete sich mit den Pisanern. Als Raimund von Toulouse und die beiden Roberts mit ihrem Heer anrückten, fanden sie eine christliche Stadt, die, umgeben von einem feindlichen muslimischen Land, von zwei Seiten von einem christlichen Fürsten und einer christlichen Flotte bedrängt wurde. Einer Flotte, die zudem von keinem anderen befehligt wurde als Erzbischof Dagobert von Pisa, den der Papst in der Nachfolge von Adhemar von Le Puy zum Legaten für das Heilige Land bestimmt hatte.
Graf Raimund ließ den Legaten zu sich kommen und erklärte ihm in unmissverständlichen Worten, dass sein Plan ein Vergehen gegen die Christenheit sei und dass er und seine Verbündeten dies nicht dulden würden. Dagobert gehorchte und hob die Blockade auf. Daraufhin brach Bohemund voll Ärger die Belagerung ab; die kleine Zahl der Verteidiger atmete auf und öffnete die Tore. Mit fünfhundert seiner Männer zog der Graf von Toulouse ein und ließ seine Fahne über der Stadt wehen.
Robert von der Normandie und Robert von Flandern bestiegen mit ihren Heerscharen und wenigen Pferden die Schiffe, um nach Konstantinopel zu fahren. Der Abschied Chersalas, Thybolds und Rutgars von Berenger und den Spähern war endgültig.
Die Männer schleppten ihren wertvollen Besitz an Bord des Schiffes. Einer nach dem anderen kam noch einmal über die Laufplanke herunter, schüttelte die Handgelenke Rutgars und Thybolds, manche umarmten Chersala, einige schlugen den beiden auf die Schultern; jeder wusste, dass es ein Abschied für immer war. Berenger ließ Rutgars Unterarm los und packte ihn an den Schultern.
»Damals, Berenger, in Drakon, im Schneesturm«, sagte Rutgar heiser. »Du erinnerst dich? Wir waren närrisch vor Freude, als du gekommen warst, halb erfroren und mit Satteltaschen voller Goldmünzen.«
Berengers Blick ging zwischen Rutgar und Chersala hin und her. Sie lehnte an Rutgars Seite und kämpfte mit den Tränen. Berenger streichelte ihre Wange und grinste verlegen.
»Wenn ich zu euch komme, dann nicht im Schneesturm«, sagte er. »Lebt wohl, viel Glück, auch dir, Thybold. Gott oder Allah sei mit euch.« Er schluckte und zuckte mit den Schultern. »Bleibt zusammen und bleibt euch treu, ihr beiden.«
Sie umarmten sich lange. Einige Späher standen schweigend dabei und sahen gerührt zu.
Berenger riss sich los und wandte sich zum Schiff. Chersala, Thybold und Rutgar warteten, bis er an Deck stand und beide Arme in einer Geste hob, die sie bei ihm noch nie gesehen hatten.
Im Hafen von Sankt Simeon fanden sie ein Schiff, das sie und ihre Pferde nach Zypern beförderte. Nach zehn Tagen, in denen sie ungeduldig warteten, konnten sie einen Kapitän überreden, sie über das kalte Meer nach Bari zu bringen. Sie überstanden einen Wintersturm und mussten Thybolds Pferd, das im Bauch des Schiffes verendete, über Bord werfen. Aber sie kamen, ohne dass sie von Seeräubern überfallen wurden oder eine Krankheit ausbrach, nach Pisa.
Der Boden schien zu beben, als sie den Hafen betraten. Bis sie ein Pferd kaufen konnten, musste Thybold den schweren Sattel und die Satteltaschen schleppen. In Pisa warteten sie länger als einen Monat, da im Winter sich kaum ein Schiff aufs Meer wagte. Rutgar mietete ein Häuschen vor den Stadtmauern, aber sie blieben unbehelligt; niemand bestahl sie.
Schließlich, endlich, machte ein Genueser Handelsschiff in Marseille fest. Das Land schwankte zum zweiten Mal, als sie das Deck verließen. Ihnen war, als beträten sie das Paradies, als sie wieder die provencalische Sprache hörten und der Mistral drei Tage lang über das Land heulte.
Epilog
A.D. 1100, 3. T AG IM L ENZMOND (F EBRUAR )
A UF DEM W EG NACH L ES -B AUX
»Gott spricht: Ich lasse dich nicht fallen und verlasse dich nicht.«
(Jos 20,55)
Die Mauern von Arles lagen in ihrem Rücken. Noch vor einer Stunde hatte sie die Morgensonne geblendet. Der warme Wind aus der Richtung des Meeres blies stetig und raschelte im Ginster. Mit jeder Stunde, in der sie sich der Heimat näherten, legten sich die Bilder, die Gerüche, die
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