Jessica
und seine Bande Banken, Postkutschen und Telegrafenämter ausraubten. Doch vor f ünf Jahren war Houghton erschossen worden, ehe er ins Gefängnis gesteckt werden konnte, und damals hatte Toby den Namen seiner Pflegeelte rn angenommen. Gage, der sechs Monate danach in die Stadt gekommen war, hatte selber die Formalitäten erledigt.
Jetzt wandte Toby sich, sicher um das allgemeine Interesse von sich und seiner angebeteten Emma Hargreave abzulenken, mit einem neckenden Lächeln an Gage. Es wirkte bei ihm und Jacob nicht gan z so natürlich wie bei Junebug, aber man musste es dem Jungen lassen , dass er sich zumindest bemüh te.
»Nun«, fragte Toby fröhlich, »haben Sie die Zeitungsdame beschwatzt und ihr gesagt, wie leid es Ihnen um ihren Bruder tut?«
Gage begriff langsam, dass er allzu schnell vorge f angen war, als er heute schon Miss Barnes besucht h atte. Er und Michael waren nicht gerade Freunde gewesen, aber weil er der einzige Anwalt in der Stadt war, hatte er auch für Barnes gearbeitet. Als Testamentsvollstrecker wusste er nur zu gut, wie es um die Finanzen der Familie stand. Und er hatte gehofft, es Jessica leichter zu machen, indem er ihr ein gutes Angebot unterbreitete. Aber wenn Toby davon wusste, musste die Sache schon Gesprächsthema in ganz Springwater sein.
»Ich gebe zu, dass ich ihr ein bisschen mehr Zeit hätte lassen sollen, um sich wieder zu fassen«, gab er zu. Hatte er Miss Barnes überhaupt kondoliert? Er konnte sich nicht mehr genau erinnern, zumal sie eine Wirkung auf ihn gehabt hatte, als hätte ihn eine Ramme in den Magen getroffen. Es war durchaus möglich, dass er das vergessen hatte. Und was noch schlimmer war: Er hatte ihr angeboten, ihr ihre Nichten abzunehmen, als wenn es sich dabei um einen gebrauchten Wagen handeln würde: Als wenn sie nicht dazu in der Lage wäre, sie selbst großzuziehen.
Gage stöhnte laut auf. Kein Wunder, dass sie ihn nicht gemocht hatte.
»Na, was habe ich gesagt?«, fragte Toby triumphierend und sah von Gage zu Jacob und Junebug.
»Mein Junge«, erwiderte Jacob streng, »du siehst einen Mann vor dir, der die Fehlerhaftigkeit seines Tuns erkannt hat.« Während er diese Weisheit von sich gab, bestrich er sich ein zweites Brötchen mit Butter.
Jessica hätte auch die zweite Nacht in Springwater nicht geschlafen, wenn sie nicht zutiefst erschöpft gewesen wäre. Als sie im kalten Licht des nächsten Morgens erwachte und sich halbwegs ausgeruht fühlte, hörte sie das Doppelgeschrei der Babys.
Jessica wappnete sich, stieg aus dem Bett und trat barfuß auf den kalten Boden. Du li eber Himmel, dachte sie. Wenn ihr schon kalt war, mussten die armen Kleinen halb erfroren sein.
Sie eilte zu der großen Wiege, die am Fußende des Bettes stand, das Michael und Victoria geteilt hatten und in dem sie jetzt schlief. Ängstlich warf sie einen Blick hinein, wo sich die zwei rosigen Babys wanden und in den Tüchern verheddert hatten.
Beide Babys waren blond und hatten große, kornblumenblaue Augen. Die am einen Ende der Wiege war Mary Catherine, entschied Jessica, was bedeutete, dass die andere Eleanor Lorraine war. Oder war es umgekehrt?
Jetzt begannen die Babys mit Nachdruck zu br ü llen, und sie wurden dabei immer lauter. Kleine blaue Venen zeigten sich an ihren Schläfen, und ihre runden Gesichter waren hochrot. Verzweifelt setzte sich Jessica je eine wütende Nichte auf die Hüfte und ließ sie dort tanzen. »Ruhig, bitte «, flehte sie, als könnten sie sie verstehen. »Ruhig.«
Endlich erschien Alma auf der Schwelle, die sich noch den Gürtel ihres Bademantels zuband. »Was für ein Aufstand«, sagte sie mit fröhlichem Lächeln.
»Was wollen sie?«, fragte Jessica ernsthaft.
Alma schüttelte verständnislos den Kopf und schnalzte dabei mit der Zunge, ehe sie herankam und J essica eines der Kinder abnahm. »Nun, sie sind hungrig, die beiden, und ich bin sicher, dass man ihre Windeln auswringen kann wie ein Küchentuch.«
Das verunsicherte Jessica nur noch mehr. Sie hatte schon einmal Windeln gewechselt - gestern, um genau zu sein -, aber der Gedanke, diese beiden unglücklichen kleinen Wesen zu füttern, überforderte sie.
»Es ist noch ein bisschen Milch da«, sagte Alma. »Sie ist in einem Krug vor dem Küchenfenster, aber es ist bestimmt nicht genug für Mary Catherine und Eleanor. Sie haben einen gesunden Appetit, die beiden Pioniere.«
Gesunde Lungen auch, dachte Jessica halb frustriert und halb stolz. Hilflos schaukelte sie den
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