Jesus liebt mich
Abschieben der Mama in moddriges Pflegeheim?»
Ich wusste nicht, welche Frage ich zuerst beantworten sollte oder überhaupt nur konnte. Dann entschied ich mich lieber dafür, Jesus zu erklären, was mit Sven passiert war. Wie leid es mir tat, aber dass ich nicht anders konnte, als ihn am Altar stehenzulassen, weil ich ihn nicht genug liebte, und dass ich damit sein Herz gebrochen hatte. Und wie schuldig ich mich jetzt deswegen fühlte. Ich würde mir das wohl mein Leben lang nicht verzeihen können.
«Verurteilst du mich jetzt?», fragte ich ängstlich.
«Nein», antwortete er. «Und weißt du, was das bedeutet?»
«Dass ich mich auch selbst nicht verurteilen soll?», fragte ich hoffnungsfroh, mein schlechtes Gewissen verlieren zu dürfen.
«Ähem», räusperte er sich und suchte nach Worten.
«Du meintest etwas anderes, oder?», fragte ich unsicher.
«Ich wollte eigentlich sagen: dass du nicht nochmal so etwas tun solltest.»
«Aha», sagte ich enttäuscht und ergänzte: «Ich hatte aber eh nicht vor, nochmal jemanden vor dem Altar stehenzulassen …»
«Das ist gut so», befand Jesus.
Und nach einer Weile des Überlegens erklärte er: «Aber dass du dir selbst verzeihst, ist auch ein sehr guter Gedanke.»
«Ja?» Ich war überrascht.
«Das hätte mir auch selber einfallen können», erklärte er. «Du hast mir etwas beigebracht.»
Dafür lächelte er mich dankbar an. Das war schön. Sein Lächeln wärmte mein Herz. Ebenso wie die Tatsache, dass ich mir die Sache mit Sven nun endlich selbst verzeihen durfte.
26
«Du hast so doch schon mal eine Steinigung aufgehalten?», fragte ich Jesus, als er sich nun wieder über seinen Eisbecher hermachte. Das erste Mal an diesem Abend konnte ich wieder befreit aufatmen.
«Ja. Es war bei einer Hure», erklärte er.
«Maria Magdalena?», fragte ich.
«Maria Magdalena war keine Hure!», erklärte Jesus zornig.
Eijeijei, da hatte einer noch starke Gefühle für die Ex. Wenn sie denn überhaupt eine Ex war.
«Maria Magdalena war eine ganz normale Frau», erklärte Jesus, nun wieder etwas ruhiger.
«Wie hast du sie denn kennengelernt?», fragte ich.
«Ich bin von ihr und ihrer Schwester Martha in deren Haus aufgenommen worden. Sie hat mir die Füße gesalbt.»
Machte Maria Magdalena etwa Pediküre? Quatsch, so was gab es damals garantiert noch nicht.
«Und dann hat sie meine Füße mit ihren Haaren getrocknet.»
Na ja … muss man mögen.
«Von dem Tag an war Maria Magdalena in meinem Gefolge», lächelte Jesus. Bei diesem Lächeln fühlte ich Eifersucht in mir aufsteigen. Ein besonders albernes Gefühl, wenn man es wegen Jesus empfindet. Und dabei auch noch die tanzende Maria Magdalena aus «Jesus Christ Superstar» im Kopf hatte.
Dennoch konnte ich die Eifersucht nicht abschütteln. Anscheinend lagen meine Gefühle doch nicht so k. o. am Boden, wie ich es gerne gehabt hätte. Ich musste einfach wissen, ob Maria Magdalena in seinem Gefolge auch das Bett mit ihm geteilt hatte, doch wie konnte ich das möglichst unauffällig fragen?
«Habt ihr mit eurem Gefolge … ähem … in engen Höhlen übernachtet … wo man sich aneinander … wärmen musste …?»
Nicht wirklich unauffällig.
Jesus schüttelte den Kopf: «Maria Magdalena und ich lagen nie beieinander.»
Wie sagte meine Schwester doch immer: Plato war ein Vollidiot.
«Maria hatte zu mir gesagt …», erzählte Jesus weiter, brach dann aber ab.
«Was hatte sie gesagt?», fragte ich.
Er wollte nicht antworten.
Seine Augen waren nun wieder ganz traurig. Er hatte für seine Mission nicht nur auf seine Familie verzichtet. Sondern auch auf die Liebe. Verdammt viel Verzicht, wenn man mich fragte.
Seinen Eisbecher hatte Jesus nun aufgegessen, und eineseiner Hände lag auf dem Tisch. Wieder wollte ich meine tröstend darauflegen. Diesmal hielt ich mich auch nicht zurück. Dass es sich bei ihm um den Sohn Gottes handelte, war mir egal, in diesem Augenblick war er für mich nur ein trauriger Mann, den ich sehr mochte. Vielleicht sogar zu sehr. Meine Hand näherte sich der seinen. Er bemerkte das und nahm seine Hand in einer ruhigen Bewegung vom Tisch. Er wollte nicht getröstet werden. Nicht von mir.
Aber sich selbst konnte er gerade auch nicht trösten, er blickte immer noch wehmütig drein. Da ich das nicht mit ansehen mochte, überlegte ich, wie ich ihn von seinen Erinnerungen ablenken könnte. Er wollte ja sehen, wie wir Menschen heute so leben. Also sollten wir
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