Jesus liebt mich
dieser Aktion sagen wollte.
«Das passiert mit allen, die nicht nach den Regeln Gottes leben», erklärte er mahnend.
«Du müsstest echt mal an deinen Metaphern arbeiten», rutschte es mir heraus. «Die sind teilweise echt kompliziert.»
Jesus ließ sich durch meinen Einwurf nicht in seinem Vortrag aufhalten: «Die Gebote des gottesfürchtigen Lebens sind für alle in der Bibel nachzulesen. Niemand kann sagen, er habe nichts davon gewusst. Und wer Gutes im Leben getan hat, wird dafür belohnt, dass er nicht den einfacheren Weg, den Weg des Bösen, gegangen ist.»
Ich verstand: Da bekommt also zum Beispiel die Altenpflegerin den Ausgleich dafür, dass der Pflegeheim-Manager ihr das Gehalt gekürzt hat, nur weil er seine eigene Gewinnbeteiligung erhöhen wollte. Das hatte etwas sehr Gerechtes.
Dennoch gefiel mir das ganze Konzept des Bestrafens nicht, und ich war mir ziemlich sicher, dass die Altenpflegerin mir da beipflichten würde. Ich mochte meinen Gott lieber gütig. Daher fragte ich missgelaunt: «Der Allmächtige ist also doch der böse, strafende Gott?»
«Rede nicht in so einem abfälligen Ton über den Herrn», zürnte Jesus nun.
Für einen kurzen Augenblick durchzuckte mich der Gedanke: Mann, bist du ein Papasöhnchen. Gott sei Dank behielt ich den gerade noch für mich.
Joshuas Augen funkelten mich böse an. Aber ich konnte ihm einfach nicht recht geben. Was würde denn aus Kata werden? Sie hatte ja locker gegen die ersten drei Gebote verstoßen, die besagten, dass man Gott ehren müsse. Und meine Mutter? Würde sie in das Himmelreich kommen? Nicht, wenn mein Vater etwas zu melden hatte. Und der? Für Papa wärees vielleicht nicht schlecht, wenn die Welt endet, dann hätte Swetlana keine Gelegenheit mehr, ihm das Herz zu brechen.
Plötzlich aber musste ich an Swetlanas Göre denken. Für sie würde ebenfalls die Welt nächste Woche Dienstag enden. Auch wenn ich das Mädchen nicht ausstehen konnte, fand ich das nicht gerecht. Sie würde zwar ins Himmelreich gelangen, hatte sie doch nie gesündigt, aber sie hatte ja nicht mal richtig auf dieser Erde gelebt. Sie würde überhaupt nicht die Freuden erleben können, die diese Welt zu bieten hat: Salsa, Robbie-Williams-Konzerte, Simpsons-Folgen, das Kribbeln beim ersten Kuss, die erste Nacht mit einem Mann – gut, die konnte man vielleicht überspringen …
Aber dennoch war es unfair!
Jeder Mensch hatte doch das Recht, sein Leben bis zur Neige zu leben! Selbst Swetlanas blöde Tochter!
Selbst Franko Potente.
Selbst … ich.
Ich war nun so stinkig auf Gott und seinen Sohnemann, dass meine Augen es tatsächlich wagten, ihrerseits wütend Jesus anzufunkeln. So standen wir uns zornig gegenüber an dem verdorrten Apfelbaum, der sich rechte Mühe gab, eine Metapher für das zu sein, was aus unserer sich anbahnenden Freundschaft geworden war.
Schließlich brach ich das Schweigen: «Ich finde es unfair, dass Gott den Menschen nicht nochmal eine Chance gibt.»
Da, es war raus!
«Wagst du es etwa, Gottes Plan zu rügen?», fragte Jesus harsch.
«Und wie ich es wage!», erwiderte ich.
«Es steht dir nicht zu, die Wege des Herrn zu hinterfragen!», tadelte Jesus böse.
«Papasöhnchen!», antwortete ich.
Das traf ihn.
Gut so!
«Gabriel hatte wohl recht», sagte Jesus nun, mit zornesrotem Gesicht.
«Womit?», fragte ich irritiert.
«Dass du im Auftrag Satans unterwegs bist.»
Für einen kurzen Moment stockte mir der Atem. Dann musste ich loslachen. Laut und hysterisch. Meine Wut löste sich in spasmisches Gelächter auf. Das irritierte Jesus sichtlich: «Du verspottest mich?»
«Ja», antwortete ich ehrlich, als ich mich wieder etwas beruhigen konnte. «Wenn Satan jemand zu dir schicken würde, dann bestimmt nicht so jemand Inkompetenten wie mich.»
Jesus wusste nicht, was er darauf erwidern sollte.
«Hör zu», forderte ich ihn auf, «schau mich an und prüf dein Herz. Wenn du wirklich glaubst, ich sei des Satans, dann lass mich verdorren wie diesen Baum.»
Er sah so aus, als ob das für ihn ein durchaus verlockender Gedanke wäre.
«Aber», fuhr ich fort, «wenn du es nicht glaubst, dann gib mir die Möglichkeit, zu beweisen, dass unsere Welt noch eine Chance verdient hat.»
Jesus starrte mich an, und je länger er mich anstarrte, desto mehr bekam ich es mit der Angst zu tun. Ich war wohl zu mutig gewesen, todesmutig. Es gab sicherlich angenehmere Sterbevarianten, als zu verdorren.
Schließlich öffnete Jesus langsam den Mund,
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