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Jesus von Nazaret

Jesus von Nazaret

Titel: Jesus von Nazaret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alois Prinz
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gut gemeinten Ratschläge wären umsonst gewesen. Sie sind in ihrem Unglück nämlich resistent gegen jede moralische Hilfe.
    Der Titularrat Marmeladow in Schuld und Sühne beispielsweise ist ein heilloser Trinker. 49 Er lässt es zu, dass seine Familie im Elend lebt, und zwingt sogar seine Tochter, als Prostituierte zu arbeiten. Marmeladow weiß, wie schäbig er sich benimmt und dass er allein schuld ist an seinem verpfuschten Leben. Aber er ändert sich nicht. Kaum hat er ein wenig Geld in der Hand, versäuft er es wieder. Alle Appelle an seine Ehre und Selbstachtung nützen nichts. Als er wieder einmal betrunken ist, träumt er von einem Reich Gottes, in das nicht nur die »Guten und Gerechten« aufgenommen werden, sondern auch die »Huren, die Trinker, die Sünder«. Und sie werden von Gott angenommen, weil auch sie »würdig« sind. Was sich Marmeladow erhofft, ist Vertrauen. Vorwürfe, Anklagen und Moralpredigten helfen ihm nicht nur nicht, sie sind sinnlos und bewirken nur das Gegenteil.
    Dostojewski zeigt in seinen Büchern die Kluft zwischen dem, was Menschen sein sollen und sein wollen,und dem, was sie wirklich sind und tun, die Kluft mithin zwischen ethischen Forderungen und der Realität. Diese Kluft wird besonders deutlich in Zeiten, in denen die hochgehaltenen Werte einer Gesellschaft nichts mehr wert sind und die Menschen mit Waffen übereinander herfallen. Es war während der Materialschlachten des Ersten Weltkriegs, als der Dichter Hermann Hesse seinen Glauben an die Moral und an die Vernunft endgültig verloren hat. Die Aufrufe der Politiker und die gut gemeinten Appelle der Pazifisten waren für Hesse völlig realitätsfremd. Für ihn entspringen die Handlungen eines Menschen nur zu einem kleinen Teil vernünftigen Überlegungen. 50 Jemand könne völlig von der Unsinnigkeit seines Handelns überzeugt sein und es doch aus vollem Herzen tun. Verbote und Belehrungen helfen da wenig. Nach Hermann Hesse kommt es darauf an, tiefere Schichten in einem Menschen zu erreichen. Und das vermag nur eine Haltung, die über Vernunft und Moral hinausgeht.
    Jesus folgt Johannes nach auch in dem Sinne, dass er ihn hinter sich lässt. Mit ihm kommt etwas Neues. Was dieses Neue ist, das zeigt sich bei Jesus’ Taufe im Jordan, wie es in den Evangelien von Matthäus und Lukas erzählt wird.
    Nachdem Johannes Jesus getauft hat, öffnet sich der Himmel und eine Stimme ist zu hören, die sagt: »Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefundenhabe.« (Mt 3,17) Diese Worte stehen wie ein Motto über dem zukünftigen Lebensweg von Jesus. Sie bekräftigen nochmals die Erfahrung, die der zwölfjährige Junge im Tempel gemacht hat: dass er von einer Kraft getragen wird, die ihm eine Sicherheit gibt, wie sie ihm keine weltliche Bindung geben kann. Und diese Kraft ist keine anonyme, unpersönliche Macht, sie ist wie ein Vater, der sich liebevoll seinem Sohn zuwendet. Jesus nennt Gott ganz unbefangen seinen Vater, er redet ihn sogar liebevoll mit »Abba« an. Niemand im Tempel zu Jerusalem oder in einer Synagoge würde es wagen, Gott so anzusprechen. »Abba« ist wie ein Kosename und bedeutet so viel wie »lieber Vater« oder »Papa«.
    Dieser Vater ist für Jesus kein zorniger, strafender Gott, vor dem man Angst haben muss. Der väterliche Gott meint es gut mit den Menschen, er ist ein zutiefst menschenfreundlicher Gott. Zuallererst muss ein Mensch von diesem Vertrauen erfüllt sein, erst dann ist er zu guten Taten fähig. Nicht aus Angst vor einem Gericht oder einer Strafe wird Jesus leben, sondern aus einem unzerstörbaren Vertrauen. Und nur weil er dieses Vertrauen empfangen hat, kann er es auch an andere weitergeben.
    Bevor er es aber an andere weitergeben kann, begibt sich Jesus in die Wüste. Warum geht er nicht gleich zu den Menschen? Warum muss er erst diesen Umweg machen? Auch Mose und der Prophet Elia gingen in die Wüste,nachdem sie eine Begegnung mit Gott hatten. Ebenso zog sich der Apostel Paulus nach seinem Damaskus-Erlebnis, als Gott ihm in einem grellen Licht erschien und zu ihm redete, in die Wüste zurück. Für ihn, der sich für ein »zerbrechliches Gefäß« hielt, war diese Begegnung fast zu viel, und er musste dieses überwältigende Erlebnis zunächst für sich verkraften.
    Ã„hnlich ist es mit Jesus. In den stillen Tagen in Nazaret hat

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