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Jesus von Nazaret

Jesus von Nazaret

Titel: Jesus von Nazaret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alois Prinz
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wäre das soziale Problem gelöst und alle Welt würde Jesus als Retter feiern. Die Menschen wollen erst satt werden, dann kannst du ihnen mit Tugend und Freiheit kommen – das ist das Rezept, das der Teufel empfiehlt.
    Jesus weigert sich. Und er tut das mit der Begründung, dass der Mensch nicht allein von Brot lebe. In der Tat haben wir heute die technischen Möglichkeiten, die ganze Weltbevölkerung zu ernähren. Trotzdem gibt es in einigen Teilen der Welt eine Überproduktion, während in Ländern vor allem auf der Südhalbkugel Millionen von Menschen verhungern. Obwohl »Brot«, also Nahrungsmittel in Hülle und Fülle vorhanden wäre, bleiben Ungerechtigkeit und Hunger bestehen. Es muss also noch andere Gründe haben, warum Menschen weiter hungern und warum das soziale Problem nicht endgültig gelöst werden kann. Diese tieferen Gründe haben damit zu tun, dass sich Menschen immer wieder als unfähig erweisen, Güter gerecht zu teilen und Mitmenschlichkeit über wirtschaftlichen Nutzen und eigene Vorteile zu stellen. Diese Unfähigkeit hat Jesus im Blick. Um sie geht es ihm.Jesus wird Hungernden Brot geben. Aber er wird durch sein eigenes Handeln darauf aufmerksam machen, dass es nicht reicht, Menschen materiell zu versorgen. Was er erreichen will, ist Menschen zu heilen, und das ist mehr, als ihnen Brot zu geben. Er will kein Wohltäter sein, kein sozialer Reformer, kein politischer Messias, kein Brotmessias. 53 Was dann?
    Die zweite Versuchung des Teufels klingt noch vernünftiger und damit verlockender. Um einen sichtbaren Beweis dafür zu geben, dass er Gottes Sohn ist, soll Jesus von der Zinne des Tempels in Jerusalem herabspringen. Passieren könne ihm nichts, denn schon in der Bibel stehe, dass Engel im Notfall herbeieilen und ihn vor jedem Schaden bewahren würden. 54 Ein Risiko gehe er also nicht ein und der Erfolg sei garantiert. Alle Zweifel und Fragen wären dann hinfällig: Sowohl den einfachen Leuten wie auch den Schriftgelehrten bliebe gar nichts anderes übrig, als zuzugeben, dass nur der Messias ein solches Wunder vollbringen kann.
    Jesus sagt wieder Nein. An dieser Art von Wunder liegt ihm nichts. Ein Messias, wie er einer sein will, kann sich nicht mit spektakulären Zirkusnummern beweisen. Ein Messias, wie er einer sein will, drängt sich nicht auf, sondern bietet sich an. Er will die Menschen im Zweifel über sich lassen. Sie müssen die Wahl haben, an ihn zu glauben oder nicht. Sie sollen ihm freiwillig folgen, nicht erzwungen durch eindeutige Beweise oder Wunder. Jesuswill kein Zauberer sein, er will kein Magier-Messias sein.
    Der Teufel versucht es ein letztes Mal. Und er fährt schweres Geschütz auf. Er führt Jesus auf einen Berg und zeigt ihm alle Reiche dieser Welt, und die Vision, die er Jesus vor Augen führt, ist wirklich überwältigend. Jesus soll der Herrscher über all diese Länder werden. Der Teufel kennt die Menschen, und er weiß, dass sie von dem Bedürfnis beherrscht werden, andere Menschen zu unterwerfen, bis die Welt eine einzige Gemeinschaft ist, ein großes und einheitliches Reich.
    Jesus könnte diese Utopie Wirklichkeit werden lassen. Er könnte das geistige Oberhaupt und der politische Führer sein. Er gäbe den Menschen Brot und er würde bestimmen, was gut und böse ist und an was die Menschen glauben sollen. Alle Länder und Völker wären vereint zu einem Weltreich, das nach einem Willen regiert wird. Vorher müsste freilich ein Krieg gegen die Widerspenstigen und Ungläubigen geführt werden. Jesus stünde dann an der Spitze eines Heeres, einer Armee der »Kinder des Lichtes«, wie es sich die Qumran-Leute vorstellen. Wäre diese Schlacht erst gewonnen, dann würde eine Welt erstehen voll Glück und Frieden.
    Jesus weist auch dieses Angebot zurück. Darauf einzugehen, würde bedeuten, seine Seele an den Teufel zu verkaufen. Denn nichts ist ihm wichtiger als die Freiheit der Menschen und ihr Recht, über sich selbst zubestimmen. Ein großes Weltreich wäre nichts anderes als eine religiöse und politische Diktatur. Und Jesus will kein Diktator sein. Er will, dass die Veränderung der Welt durch die Veränderung des Einzelnen geschieht.
    Fjodor Dostojewski hat diese Geschichte von Jesus und dem Teufel weitergesponnen, in der Erzählung vom Großinquisitor. 55 Darin kommt Jesus noch einmal auf die Welt, im

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