Jesus von Nazaret
niederzuringen.
Daher kann man die Widerständler als Gescheiterte betrachten. Einzeln, immer nur für sich betrachtet, waren sie das auch, denn keiner hat sein Ziel â Hitlers Herrschaft zu beenden â erreicht. In ihrer Summe aber beweisen sieund all jene, die Juden versteckt, zur Flucht verholfen oder Oppositionelle beschützt, abgeschirmt oder vor der Gestapo bewahrt haben: Es hat auch ein anderes Deutschland gegeben. Das zu beweisen war ebenfalls ein Ziel vieler Widerständler und dieses Ziel haben sie erreicht.
Dank ihrer weià die Welt: Nicht alle Deutschen waren Mörder. Nicht alle waren Mitläufer. Nicht alle haben geschwiegen. Gewiss, es waren wenige. Das lag aber nicht nur an einem allgemeinen Mangel an Mut, das lag auch daran, dass Hitler vom ersten Tag seiner Kanzlerschaft an seine Gegner systematisch verhaften, verschleppen und ermorden lieÃ, in die Flucht trieb oder im Krieg verheizte. Sie waren gar nicht mehr in der Lage, wirksam Widerstand zu leisten. So blieben nur noch wenige, die trotz aller Widrigkeiten und unter Lebensgefahr von der Existenz eines anderen Deutschlands künden konnten, aber es waren doch so viele, dass sie als Ganzes sichtbar hervortreten und man heute über sie sagen kann: Ihr Einsatz hat sich gelohnt. Ihre Handlungen waren nicht sinnlos. Sie haben uns Deutschen nach dem Krieg die Rückkehr in die Welt ermöglicht. Ihr Opfer war nicht umsonst.
* 1906 in Breslau1912 Umzug der Familie nach Berlin1923 Theologiestudium in Tübingen, Rom und Berlin1927 Promotion1928 Erstes theologisches Examen, Vikariat in Barcelona1930 Zweites theologisches Examen und Habilitation, Studienaufenthalt am Union Theological Seminary in New York1933-35 Pfarrer der deutschen evangelischen Gemeinde in London-Sydenham1935 Leitung des Predigerseminars der Bekennenden Kirche in Zingst und Finkenwalde, nach der SchlieÃung 1937 Fortsetzung im Untergrund1936 Entziehung der Lehrerlaubnis für Hochschulen1942 Begegnung mit dem Bischof von Chichester, George Bell1943 Verlobung mit Maria von Wedemeyer5. April Verhaftung durch die Gestapo unter Beschuldigung der Wehrkraftzersetzung8. April 1945 Verurteilung zum Tod, Hinrichtung am 9. April
Maria hieà sie, war zwanzig Jahre alt und hatte sich gerade in einen 18 Jahre älteren Mann verliebt. Im Februar 1943 schrieb sie ihm: »Wenn Du mich hier so sehen würdest. Ich glaube, Du würdest mich manchmal gar nicht mögen. â Wenn ich so wild reite und mich mit Stallknechten auf Platt unterhalte. â (â¦). Wenn ich Grammophon spiele, dazu auf einem Bein durch die Stube hüpfe und auf das andere einen Strumpf mit einem riesengroÃen Loch ziehe, (â¦) Ich mache noch viel schlimmere Sachen. Ich rauche eine Zigarre, weil ich solch ein Ding noch nie geraucht habe und doch wissen muÃ, wie das ist, und dann ist mir so sauhundeschlecht, daà ich weder zum Mittag noch zum Abendbrotetwas essen kann. â Oder ich stehe in der Nacht auf, ziehe ein langes Kleid an, tanze wie wild im Saal â gehe mit Harro spazieren und schlafe dafür am ganzen Vormittag durch.«
Im Mai 1944 schrieb sie, nachdem sie bei herrlichem Frühlingswetter im Garten gearbeitet hat: »Und vor allem freue ich mich drauf, das einmal in einem eigenen Gärtchen tun zu dürfen. Hilfst Du mir dann? Stellst Du Dir das nicht wahnsinnig lustig vor, wenn wir beide zusammen unseren Garten hübsch machen. In die Mitte kommt ein groÃer Rasenplatz, auf dem im Frühjahr Krokusse und dann Schlüsselblumen und VergiÃmeinnicht wachsen. (â¦) In unserm Garten steht ein weiÃer Tisch mit Bank und Stühlen und im Sommer frühstücken wir drauÃen. Einen Hund haben wir vielleicht auch. â Es wird traumhaft schön werden. Und ich freue mich drauf!«
Der Traum wird sich nie erfüllen.
Der Mann, dem diese Briefe gelten, sitzt im Gefängnis und geht ein Jahr später aufs Schafott. Dietrich Bonhoeffer heiÃt er, Pfarrer ist er und gehört zu den wenigen in Deutschland und in der Evangelischen Kirche, die Hitler von Anfang an durchschauen und darum konsequent und kompromisslos bekämpfen.
Im Januar 1943 hat er sich mit Maria von Wedemeyer verlobt. Kaum drei Monate später wird er verhaftet. Aus dem Gefängnis schreibt er an den Freund Eberhard Bethge über seine Beziehung zu Maria: »Nun sind wir fast ein Jahr verlobt und haben uns noch nie eine Stunde
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